Weltweit einmalig: Steiermark hat ältesten Santa Claus

Der 100-jährige Weststeirer Johann Aichhofer, geboren am 25. Dezember 1924

Da er ein Mann ist, kann Johann Aichhofer klarerweise kein Christkind sein. Aber allemal der Santa Claus. In vielen Ländern der Welt ist er derjenige, der am 25. Dezember den Kindern über Nacht die Geschenke gebracht hat. Und der Alt-Bürgermeister und Politiker und vielfacher Ur-Opa hätte allemal das Zeug dazu, ist er doch am Christtag geboren und daher auch am Christtag, an seinem Ehrentag als Santa Claus beglückwünscht.

Wenn vor einigen Monaten bei einem Dank-Gottesdienst seine sechs Kinder, 13 Enkelkinder, 22 Urenkelkinder in der beschaulichen Kapelle in Unterrossegg bei Lannach mit Anhang 63 Familienangehörige dabei sind, dann muss Johann Aichhofer viel in seinem Leben richtig gemacht haben.

Das Lebensmotto des ehemaligen Landwirts, Bürgermeisters und ÖVP-Landtagsabgeordneten: „Bei den Menschen sein.“ Geboren wurde er am Christtag, dem 25. Dezember 1924, als lediges Kind. Für seine Mutter, eine mittellose Bauernmagd, ein schweres Schicksal. Eine Nachbarin erbarmte sich des Neugeborenen –  „Diesen Juden kann man nicht so lange liegen lassen“ – und hat das Baby schon am nächsten Tag, dem Stephanitag, zur Taufe in die Kirche nach Stainz mitgenommen. Als „Juden“ bezeichnete man am Land damals Ungetaufte. Und ein lediges Kind zu taufen, war fast ein „kleines Verbrechen“ in dieser Zeit. „Meine Mutter musste damals dafür 30 Tage bei der Nachbarin abarbeiten“, erfährt man aus der niedergeschriebenen Biografie des Jubilars.

Den Einmarsch Adolf Hitlers erlebte er als 14-Jähriger. Auch seine Großeltern jubelten. „Denn mit dem Hitler wurden ja den Bauern die Schulden erlassen“, erinnert er sich. „Gott sei Dank wird es jetzt besser.“ Ein großer Irrtum.

„Das sogenannte Jungvolk, also wir“, so Johann Aichhofer, „wurde beim Übergang zum NS-Regime im Jahr 1938 zur Hitlerjugend. Da bist du gar nicht gefragt worden. Kleinkaliberschießen, Gruppenwanderungen, Förderung  der Kameradschaft – all das hat uns Jugendlichen gefallen. Ich bin zur Gruppe Stainz gekommen.“ Weißes Hemd, kurze Hose und ein Selbstbinder, also eine schwarze Krawatte – das war sozusagen die Uniform. „Ich hab‘ für die fünf Schilling, die das gekostet hat, meinen kleinen Hund verkauft.“ Zum Kriegsbeginn hin gab es immer mehr Schießübungen.

„Wollte Pilot werden“

Beim „Woaz“-Anbau (Kukuruz/Mais) flogen über den Acker hinweg die Sturzkampfflugzeuge, die am Thalerhof stationiert waren. „Und das hat mir so gefallen. Ich meldete mich freiwillig zu den Fliegern, ohne dass meine Mutter davon wusste.“ Das war im Jahr 1941. Zur Flieger-Tauglichkeitsprüfung ging es nach Graz. „Um acht Uhr haben wir uns nackt ausgezogen, und erst um 15 Uhr nachmittags durften wir uns wieder anziehen.“ Den Aufnahmetest bestand er mit einem kleinen Schwindel als Bester. Von einem Freund hatte er erfahren, was bei der Prüfung passiert.

Im Prüfungsraum wurde der Sauerstoff verringert – „bis du zusammengesackt bist“ – und dann ist er wieder zugeführt worden. „So wurde gemessen, wie viel Wörter oder Zeilen du schreiben kannst.“ Das war dann das Testergebnis. „Ich hab’ beim Hineingehen schon den Atem angehalten und schrieb die meisten Sätze. Und so gesehen bin ich dann bis auf 2.000 Meter Höhe gekommen. Mich haben sie dann für zwölf Jahre Flugausbildung verpflichtet.“  Doch die Mutter und der Bürgermeister von Rossegg waren dagegen. So kam er in die Landwirtschaftsfachschule nach Graz.

Im November 1942 musste Johann Aichhofer dann doch zur Wehrmacht. Weil er ein Instrument spielte und gut singen konnte, wurde er dort zum Funker ausgebildet. Und damit begann seine lange Reise ins Ungewisse. „Als Regimentsfunker bin ich von Europa bis nach Russland im Einsatz gewesen.“ Und er erlebte die Gräuel des Krieges an vorderster Front. Allein an einem Tag fielen tausende Kameraden auf dem Schlachtfeld. Er überlebte einen Granaten-Angriff nur dank seines Funkerrucksackes. „Ich wurde völlig verschüttet, hielt mir die Hände vors Gesicht und hatte damit mehr Sauerstoff in der Grube, in die ich gefallen war.“ Seine Füße ragten noch heraus, und so konnten ihn seine Kameraden ausbuddeln.

Chaos bei Kriegsende

Das war am 9. Mai, da war Johann Aichhofer in Oberschlesien. Die Truppe hatte sich völlig aufgelöst. „Gruppenweise und auf eigene Faust versuchten wir, nach Süden in Richtung Österreich zu kommen – in die rettende Zone der Amerikaner. In der Gegend von Brünn habe ich mich dann mutterseelenallein, immer nur in der Nacht, bis nach Linz durchgeschlagen. Da hat mir dann geholfen, dass ich mich im Wald ausgekannt und orientieren hab‘ können. Ich hab‘ tagelang nur von Hasenklee, Schwarzbeerkräutl und Fichtenzapfen gelebt.“

In der Nähe von Linz erreichte er völlig erschöpft dann doch die Zone der Amerikaner. Aber die Freude und Erleichterung dauerte nur wenige Tage. Denn die US-Militärs übergaben dann 18.000 Mann den Russen. „Die haben uns dann zu Fuß nach Pressburg getrieben. Etwa vier Tage lang.“ Bei diesem Marsch wurde Johann Aichhofer zu einem der „Hundertschaftsführer“. Ein Himmelfahrtskommando. Denn sobald einer aus seiner Truppe stiften ging, also flüchtete, dann ist am Abend der Hundertschaftsführer verantwortlich gewesen und liquidiert worden. Jeder der Betroffenen musste sein Loch selber graben, wurde hineingetrieben und dann ermordet.

„Und wir Gefangene mussten das mitansehen. Ich habe aber zu meinen Leuten gesagt: Bitte, wenn einer von euch gehen will, dann sagt es mir, weil dann gehe ich mit. Weil das war meine einzige Chance, auch davon zu kommen. Wir haben uns als Zeichen des Schwurs die Hand gegeben, dass keiner abhaut. Und das ist auch so geblieben.“

In Viehwaggons zehn Tage lang eingepfercht ging es dann nach Rumänien. Praktisch ohne Verpflegung und Wasser. Es war die Hölle. Im Lager ist zwei Mal der Pferdeplateauwagen durchgefahren, und da sind dann die, die täglich gestorben sind, hinaufgeworfen und abtransportiert worden. Viele sind auch in der Latrine, einem 30 Meter langen Graben, bei der Verrichtung der Notdurft zusammengebrochen und dort verstorben. Da hat sich kein Mensch darum gekümmert.

Tag der Befreiung

Das war am 26. August 1945. „Es hieß, Stalin habe angeordnet, uns aus der Kriegsgefangenschaft zu entlassen. In Viehwaggons ging es in Richtung Heimat, aber nicht für alle. Für die ging es in Richtung Russland und ins Arbeitslager“, so Aichhofer. „Die kamen erst nach Jahren, wenn überhaupt, aus der Gefangenschaft nach Hause.“ Von den Russen bewacht und begleitet ging es über das Partisanengebiet Jugoslawiens in Richtung Budapest. „Denn wenn die Partisanen uns gekriegt hätten, dann hätten sie uns dort sicherlich gelyncht.“

Johann Aichhofer war im 27. Waggon. Nach zwei Tagen bekam er furchtbar hohes Fieber. „So eine Art Malaria.“ Da wurde er in den Lazarettwagen verlegt. Dieser war mit den „Besseren“ und den sogenannten „Sterblingen“ überfüllt. „Ich bin dann auch bei den Sterblingen gelandet. Ein Sanitäter sagte zu mir: ,Halt durch! In Budapest wirst du auswaggoniert und in ein Lazarett geschickt.‘ Oft stand unser Zug stundenlang, und an einem Bahndamm wurde Wermut-Tee gekocht, weil es dort so viele Pflanzen gegeben hat. Ich bekam Tee zu trinken und einige Ringlotten, halbreif, zum Essen. Davon bekam ich Durchfall, und der hatte überraschend zur Folge, dass ich wieder fieberfrei war. Sonst hätte ich nicht überlebt.“

„Zum Glück bin ich dann in Budapest nicht auswaggoniert worden, sondern bis Wien gekommen. In Wien haben wir dann die Marschverpflegung für die Weiterfahrt bekommen. Ein Löfferl Zucker, ein Löfferl Salz, drei, vier Bohnen und einen Löffel Mehl. In einem Zug, mit dem Kohlen aus Fohnsdorf geholt werden sollten, ging es dann bis zum Semmering. Dort wurden wir von den Russen herausgeholt. Und wenn 1.000 beisammen waren, haben die Engländer einen Zug von St. Marein im Mürztal heraufgeschickt. In St. Marein kam dann unsere allgemeine Entlausung und allgemeine Entlassung.“

„In Graz angekommen versuchten wir, über den GKB-Bahnhof einen Zug nach Lannach zu erreichen. Auch mit diesem sollte Kohle aus Eibiswald und Köflach geholt werden. Um Mitternacht war es dann soweit. Am 16. September 1945 kam ich zu Hause an. Es war ein Sonntag. Wie gesagt, wog ich damals nur noch 52 kg. Und es brauchte Monate, um wieder ins Leben zurückzukommen. Oft wache ich auch heute noch in der Nacht auf und stelle mir die Frage, wieso gerade ich noch da bin.“

Kommentare und Antworten

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Bemerkungen :

  • user
    Gerhard Jöbstl December 24, 2024 um 9:31 am
    Eine sehr berührende Geschichte des Hrn. Aichholzer!
    Dankeschön!