Wer ist der „AARNOCH“?

Steirische Landeshymne: 110 Jahre Realitätsverweigerung

„Hoch vom Krachstein an, wo’s dem Aarnoch graust“ titelten Die Grazbürsten ihr erstes Kabarettprogramm in grün/beiß mit der Persiflage auf die Landeshymne vor mittlerweile 41 Jahren. Alle Steirer und Steirerinnen kennen die Melodie der Landeshymne, aber nur wenige wissen, wer der „AARNOCH“ ist. Gemeint ist der Adler, der da „noch haust“.

Die Blau-Schwarze Regierung mit Landeshauptmann Mario Kunasek und seiner Vize Manuela Khom will Steirische Landeshymne nun in der Verfassung verankern. So steht im Regierungsprogramm: „Das Land Steiermark bekennt sich zur Heimatpflege durch die Bewahrung landestypischer Bräuche und Traditionen. In die Landesverfassung soll demnach die Landeshymne, das Dachsteinlied, aufgenommen werden.“ Das löst schärfste Kritik aus. Das offizielle Slowenien ist damit nicht einverstanden. Aber auch die Oppositionsparteien im Landtag sind dagegen. Eine Änderung ist aber nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit möglich. Der blau-schwarzen Koalition fehlen dafür zwei Mandate.

KLIPP hat sich bereits im Jahr 2018 anlässlich 100 Jahre Ende Erster Weltkrieg damit befasst und darüber geschrieben: „Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust, bis zum Wendenland am Bett der Sav‘.“ Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass in der steirischen Landeshymne noch heute ein Landesteil besungen wird, der seit 110 Jahren nicht mehr zur Steiermark und damit auch nicht mehr zu Österreich gehört. Diese Region gehört heute zum Staat Slowenien. Kein Ausdruck von politischer Korrektheit, aber offensichtlich stört das niemanden. Damals haben wir auch weitergehende Recherchen hinsichtlich der Steirischen Hymne im Land angestellt. Die Reaktionen waren aber eher spärlich. So hieß es etwa vom Büro Klubobmann Hannes Schwarz damals: „… eine Aktualisierung des Textes in der Landeshymne ist in Zukunft sicher überlegenswert …“ Passiert ist in der Folge nichts.

„… bis zum Hügelland an Wäldern reich ...“

Den letzten Versuch einer entsprechenden Textänderung der Landeshymne hatte Landeshauptfrau Waltraud Klasnic im Jahr 2004 anlässlich des damals bevorstehenden EU-Beitritts von Slowenien unternommen. Der verstorbene Baldur Heckel (Sängerbund-Obmann) hatte diese Initiative unterstützt und manche Chöre sangen dann auch die geänderte Textzeile, die da lautet: Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust, bis zum Hügelland an Wäldern reich. Und vom Alptal an, das die Mürz durchbraust, bis ins Rebenland, was kommt dem gleich?

Diese Initiative hat sich jedoch nicht durchgesetzt und man habe daher die Bemühungen hinsichtlich des neuen Textes für die steirische Landeshymne fallengelassen, heißt es heute von Seiten des Chorverband Steiermark (vormals Sängerbund). Die erste Strophe der traditionellen Version lautet bekanntlich:

Trotz Widerstand zur offiziellen Landeshymne

Kritik an der Hymne begann bereits im 19. Jahrhundert, insbesondere wegen ihres deutschnationalen Tenors und der idealisierten Darstellung des Grenzverlaufs, der nach dem Vertrag von Saint-Germain längst überholt war. Sozialdemokraten und slowenische Stimmen wiesen auf die nationalistische und antislowenische Ausrichtung hin. Dennoch wurde das Lied 1929 – am 3. Juli vom Steiermärkischen Landtag beschlossen – gegen die Stimmen der Sozialdemokraten zur offiziellen Hymne der Steiermark.

Deutschtümmelnde Strophen

Im Buch „O du mein Österreich“ (Anton Pustet Verlag) widmet sich Evelyn Schalk der Steirischen Landeshymne. Sie schreibt: Mit der steirischen Landeshymne ist es so eine Sache. Sie laboriert seit dem ersten Tag ihres Daseins ganz faktisch an Realitätsverweigerung, was die gleichzeitig monarchie-nostalgischen und deutschtümmelnden Strophen – in ihrer Festschreibung der eigenen Identitätskrise als Dauerzustand – wiederum zu einer allzu österreichischen Hymne macht. Das allerdings dürfte ihr Verfasser, der Grazer Buchhändler und Verleger Jakob Franz Dirnböck, nur teilweise intendiert haben, als er den zehnstrophigen Liedtext 1844 zu zu Papier brachte.

Vom Domorganisten Ludwig Carl Seydler vertont, wird das Stück erstmals anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Steiermärkischen Landwirtschaftsgesellschaft von einem vierstimmigen Männerchor vorgetragen. Aus diesem Anlass veröffentlicht Dirnböck zudem eine Lithographie mit Tondruck, die den Text ausgerechnet auf eine lange Fahne gesetzt zeigt, die vom Giebeldach eines Wirtshauses wallt, das Ganze umgeben von idyllisierten ländlichen Szenarien, überblickt von den Porträts Erzherzog Johanns, des Reichsgrafen von Wickenburg sowie des Grafen von Attems.

Während der Nazi-Herrschaft „passte“ die Hymne wieder, da ja das Hitler-Regime die Untersteiermark besetzt hatte. Dennoch blieb die Hymne auch nach dem Zweiten Weltkrieg unangetastet, wiewohl sie durch deutschnationale Propaganda belastet war. Der Versuch zur bereits angesprochenen „Modernisierung“ im Jahr 2004, um veraltete geografische Passagen zu ändern, scheiterte. Nicht zuletzt auch am Widerstand der FPÖ, die dies als Angriff auf „traditionelle Werte“ sah. Bis heute spiegelt die Hymne historische und kulturelle Konflikte wider und bleibt ein Symbol für politische und gesellschaftliche Spannungen.

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