Mit Desserts, Dauerwellen und digitalem Durchblick

Auftakt für die besten der Welt: Berufsweltmeisterschaft in Lyon

Haarschneideschere, Effilierschere und spezielle Werkzeuge für präzise Konturen werden nach und nach sorgfältig desinfiziert. Der Übungskopf wird behutsam mit einem Mantel und Handtuch abgedeckt, die Aufgabenstellung nochmals akribisch durchgelesen: Es ist alles andere als ein gewöhnlicher Arbeitstag für Friseurin Carina Kern aus Kilb in Niederösterreich. Angesichts ihres spektakulären Arbeitsplatzes wird das schnell klar: Kern schneidet, föhnt und färbt auf der zurzeit größten Bühne der Welt bei den Berufsweltmeisterschaften in Lyon.

Auf dem 14 Hektar großen Messeareal der Euroexpo kämpfen 1.600 Teilnehmende aus 65 Nationen um Gold, Silber und Bronze – in insgesamt 62 Disziplinen. Aus Österreich sind insgesamt 47 „Young Professionals“ (keine Lehrlinge, sondern junge Fachkräfte bis 22 Jahre) am Start: Bis Samstag müssen die rot-weiß-roten Medaillenhoffnungen berufsspezifische Aufgabenstellungen lösen. Verschnaufpausen sind rar gesät – so auch bei Kern: Jeder Handgriff der Fachkraft von „Brigitte – neu verföhnt“ in Purgstall muss bei den Berufsweltmeisterschaften sitzen, um bei den strengen Wertungsrichtern bzw. Experten gut abzuschneiden.

Niederösterreichische Friseurin will gut abschneiden

In den kommenden Tagen muss die WM-Starterin unter anderem eine Dauerwelle mit Tönung anfertigen, Haare mit Farbe und Extensions stylen, komplizierte Hochsteckfrisuren gestalten, ihr Talent bei Bärten und Männerfrisuren unter Beweis stellen und einer Dame zu einem neuen Look verhelfen. Gefragt sind Hochpräzision, Konzentration und gleichzeitig Schnelligkeit – jeder Fehler führt zu Punkteabzügen. „Am meisten Spaß bereitet mir das Modul mit den Extensions, weil es so viele kreative Möglichkeiten bietet.

Es ist spannend, weil man damit eine totale Stilveränderung bewirken kann – etwas scheinbar Unmögliches wird möglich. Man kann einem Look sofort Volumen und Länge verleihen oder mit Farbe ganz neue Akzente setzen. Auch die Dauerwelle ist besonders, weil sie eine klassische Technik mit modernen Einflüssen verbindet und viel Raum für Individualität lässt. Beide Module ermöglichen es, extravagante und maßgeschneiderte Styles zu kreieren, die den Kunden völlig neu definieren“, sagt Kern. Ihr Ansatz: „Vollgas geben, nicht nach links, nicht nach rechts schauen, sondern auf mich konzentrieren.“

Oberösterreichische Bäckerin hat Erfolgsrezept

Einige Kilometer am WM-Areal weiter verfolgt Julia Kusel ein ähnliches (Erfolgs-)Rezept: Die Bäckerin aus Pennewang in Oberösterreich beginnt in den kommenden ersten Wettbewerbsstunden mit der Produktion von Backwaren aller Art herstellen. „Zunächst werde ich Baguettes zubereiten, danach Krapfen herstellen, Cannoli frittieren, Plunder und Brioche flechten sowie Weizenbrot nach den genauen Vorgaben backen. Mein Ziel, bis zu Mittag kontinuierlich und hochkonzentriert zu arbeiten, ist voll aufgegangen“, erzählt die Fachkraft von Resch & Frisch in Gunskirchen.

Möbeltischler: Kärntner Holzfan will Edelmetall

Am Medaillentraum zimmert auch bereits Florian Dörfler, Möbeltischler aus Weitensfeld in Kärnten: „Als wir am Gelände angekommen sind, haben wir noch etwa eine Stunde Zeit gehabt, um mit den Experten den Tagesplan durchzugehen, alle Details zu besprechen und uns auf den Wettbewerb vorzubereiten. Unser Ziel ist es, das Bestmögliche aus dem ersten Tag herauszuholen“, gibt der WM-Starter der Konec GmbH in Feldkirchen die Marschroute vor.

„Die Vorfreude, dass es nun endlich losgeht, ist riesig! Ich hoffe, dass ich all das, was wir in den letzten Monaten trainiert haben, auch abrufen können. Besonders wichtig sind bei uns die Holzverbindungen, Furnierarbeiten und präzise Zinken. Da kommt es auf höchste Genauigkeit an – wir haben eine Toleranz von 0,5 Millimetern. Es muss einfach alles passen.“

Der Respekt vor der Konkurrenz ist groß, einschüchtern will sich Dörfler aber nicht lassen: „Da wir im Mai ein Auslandstraining hatten, kenne ich bereits einige Nationen und ihre Arbeitsweisen. Es ist spannend zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln und wie sie agieren. Besonders freue ich mich aber darauf, die Teilnehmer und ihre Techniken kennenzulernen, die ich bisher noch nicht gesehen habe. Das Niveau ist durchweg sehr hoch. Ich bin zwar ein absoluter Holzfan, aber am Sonntag will ich trotzdem Edelmetall“, sagt der Tischler mit einem Augenzwinkern.

Bautischler: Steirer fräst an den Verbindungen

Dörflers Nationalteamkollege bei den Bautischlern, Thomas Leitner aus Obdach in der Steiermark, verfolgt eine vergleichbare Herangehensweise: „Gleich zu Beginn mussten wir die Pläne kontrollieren. Dafür hatten wir etwa eine halbe Stunde Zeit, um sicherzustellen, dass alles korrekt ist. Danach begann ich mit dem Fräsen der Verbindungen, was ich inzwischen abgeschlossen habe. Unsere Aufgabe besteht darin, einen Fensterrahmen mit Füllung und Außenrahmen zu fertigen – alles mit traditionellen Holzverbindungen.“

Für die Fachkraft der MT Design Tischlerei in Zeltweg liegt die Herausforderung „vor allem in der Genauigkeit der Verbindungen und der Einhaltung der vorgegebenen Zeit. Es ist entscheidend, dass alle Verbindungen perfekt passen, doch der Zeitdruck macht es besonders schwierig.“ Von den Menschenmassen – einige Zehntausend Besucher sind bereits am ersten Wettbewerbstag vor Ort – lässt sich Leitner nicht irritieren: „Während ich arbeite, blende ich alles um mich herum aus und konzentriere mich voll und ganz auf meine Aufgabe – ich nehme gar nicht wahr, was um mich herum geschieht.“

Steirische Gebäude-Technikerin feilt an Plattform

Mit einem 3D-Gebäude-Modell bekommt es Magdalena Rath aus Bad Blumau in der Steiermark, WM-Vertreterin im Skill „Digital Construction“, zu tun: „In diesem digitalen Modell erfasse ich jedes Bauteil mit all seinen Eigenschaften. Darüber hinaus erarbeite ich spezifische Pläne wie Brandschutzvorgaben oder welche Türen in welchem Format eingebaut werden. Eine wichtige Aufgabe ist auch die Kollisionsprüfung – das Modell muss außerdem so gestaltet sein, dass es keine Konflikte zwischen Rohren, Fenstern oder anderen Bauteilen gibt. Zusätzlich erstelle ich ein Video, das zeigt, wann welche Bauteile eingebaut werden, um den Bauablauf zu visualisieren und zu optimieren“, erklärt Rath.

Erst am Samstagnachmittag – nach dem finalen Gong – müssen die 1.600 Fachkräfte ihre Werkzeuge niederlegen, danach richten die Experten. Am Sonntagabend folgt dem Medaillenverleihung in der 60.000 Fans fassenden Groupama-Stadion, Heimatort von Traditionsverein Olympique Lyon. 

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