Pilnacek und Freunde destabilisierten die Justiz

Es geht in den vorhergehenden KLIPP-Berichten nicht darum, dem Verstorbenen mächtigen Sektionschef Christian Pilnacek „Steine nachzuwerfen“, sondern um zumindest nur einige der Fakten aus einer langen Liste und schwerwiegenden Vergehen darzustellen. Hat doch seine Witwe, die Präsidentin des Straflandesgerichts Graz, anlässlich eines Trauer-Gottesdienstes in der Wiener Augustinerkirche gemeint: „Christian hat sich nicht das Leben genommen. Ihm wurde das Leben genommen.“ Der mächtige Sektionschef war Täter, kein Opfer.
Intrigen und Verrat
Neben dem Ex-Justizminister und späteren Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter war auch die Oberstaatsanwaltschaft Wien ein Verbündeter Pilnaceks. Deren Leiter Johann Fuchs war ein enger Vertrauter Pilnaceks und häufiger Adressat seiner Chats. Pilnacek und Fuchs - sie bildeten eine Achse in Österreichs Justiz, eine, die darauf schaute, dass die Dinge im Sinne der „Familie“ liefen. Brandstetter schreibt etwa im Mai 2019, kurz vor dem Platzen der Ibiza-Affäre, an den in der Eurofighter-Causa unter Druck geratenen Pilnacek: „Lieber Christian, habe heute im Rahmen des Raiffeisentages viele Gespräche geführt, Du hast so viel Unterstützung und Solidarität, das war schön zu sehen. Du hast jedenfalls die volle Unterstützung [...] von Schwarz und türkis [...]. Du hast jeden Grund, ruhig zu bleiben und Dich über diese wirklich breite Unterstützung zu freuen. Die hast Du Dir auch hart erarbeitet."

Pilnacek und Fuchs beklagten jene Destabilisierung der Justiz, die sie selbst betrieben. Schon im Frühjahr 2020 warnte die WKStA die Justizministerin und legte ihr eine lange Dokumentation an Schikanen und Intrigen vor. Pilnacek und Fuchs versuchten mit vielen Nadelstichen, die Korruptionsbehörde lahmzulegen, was nicht vollständig gelang. So legte ein Staatsanwalt aus Eisenstadt, ein ehemaliger Mitarbeiter von Ex-FPÖ-Justizminister Josef Moser, Mails an den Untersuchungsausschuss im Parlament vor, die Pilnacek und Fuchs bei ihren Aussagen nicht vorgelegt hatten. Darin wird offenbar, dass Pilnacek anders als vor dem U-Ausschuss von ihm ausgesagt, schon sehr früh über die Hausdurchsuchungen gegen ÖVP-Politiker in der Casinos-Affäre informiert worden war - und zwar von Fuchs. Die von Koch vorgelegten Mails waren für Pilnacek und Fuchs äußerst peinlich, zumal sie im Ibiza-U-Ausschuss vorgelegt wurden und so an die Öffentlichkeit gelangten.
Diensthandy wurde zum „rauchenden Colt“
Offenbar hatte die Suspendierung Christian Pilnaceks einen psychischen Notstand bei ihm ausgelöst. Wusste er doch über seine Dienstvergehen. Diese wurden in der Folge aus zwei Samsung-Diensthandys Pilnaceks extrahiert – der sie bereits gelöscht hatte und sich damit sicher fühlte – aber von der Staatsanwaltschaft Innsbruck „entschlüsselt“ und wieder hergestellt dem Ibizia-U-Ausschuss des Parlaments vorgelegt. Erst diese Chats ermöglichten tiefe Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Mannes, der von Amts wegen zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können hätte sollen. Und dessen Leben daran letztendlich zerbrochen ist.

PS:
Der „Befund“ der Witwe Pilnaceks kann nicht allein auf den Schmerz des Verlusts ihres Lebenspartners zurückzuführen sein. Dazu sind die vorliegenden Fakten zu eindeutig. Dahinter scheint auch eine Form von Wahrnehmungsabwehr, sprich Hochmut des Beamten-Adels zum Ausdruck zu kommen – Vergehen und Fakten nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen und sich damit gleichsam gegen oder sogar über das Rechtssystem unserer Republik zu stellen. Dessen Kontrolle aber den höchsten Beamten des Justizapparates obliegt und worauf sie auch ihren Amtseid ablegten.
Ein Mensch, so befindet der Schriftsteller Eugen Roth in seinen Gedichten, der sich sehr schlecht benahm, Spürt zwar in tiefster Seele Scham.
Jedoch, sofern er kein Gerechter, Benimmt er fortan sich noch schlechter, Weil du für seine falsche List Ein, wenn auch stummer, Vorwurf bist. Dies ist der Grundsatz, dem er huldigt: „Es klagt sich an, wer sich entschuldigt!“ Auch ist ihm dieser Wahlspruch lieb: „Die beste Abwehr ist der Hieb!“
Ein Mensch, der zwar täglich sieht, Was alles auf der Welt geschieht, Und der’s erfuhr durch eigne Qual, die Erde sei ein Jammertal, Möcht’ doch, der armen Welt zum Spott, So herrlich leben, wie ein Gott. Doch ist dann meist die Sache die: Er stirbt noch schlechter als ein Vieh. Er sollte nur die Kunst erwerben, als Mensch zu leben und zu sterben.
Teil 1: „Schreiben Sie, was Sie wollen, Sie Schmierfink“
Teil 2: „Uns fehlt ein Trump“
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