„Uns fehlt ein Trump“

Das Drama um Sektionschef Christian Pilnacek, ein Steirer. Er war Täter, nicht Opfer.

Aus Verständnisgründen eine kurze Rückblende. KLIPP berichtet über das Drama Pilnacek, um das Geschehene, die Fakten, präsent zu halten und eine mögliche Legendenbildung hintan zu halten. „Christian hat sich nicht das Leben genommen. Ihm wurde das Leben genommen.“ Vom Rednerpult aus rechnete Christian Pilnaceks Witwe bei einer Totenmesse für ihren verstorbenen Mann in der voll besetzten Augustinerkirche in Wien mit seinen Kritikern und Gegnern innerhalb der Justiz und in der Politik sowie mit den Medien ab.

Ihr Mann war bekanntlich am Morgen tot aufgefunden worden, nachdem er als Geisterfahrer auf der Autobahn bei Korneuburg in der Nacht zuvor von einer Polizeistreife gestoppt worden war. Alkoholisiert. Dem Sektionschef wurden die Autoschlüssel und der Führerschein abgenommen. Er durfte nicht mehr weiterfahren und damit konnte Schlimmeres verhindert werden. Danach wurde der suspendierte Sektionschef von einer Person seines Vertrauens in der Nacht abgeholt.

Wer sich im Fall Pilnacek Vorwürfe machen muss, sind jene Freunde und Bekannte, die es zugelassen haben, dass er schwer betrunken mit seinem Auto wegfahren konnte und damit seine Verzweiflungstat auslöste. Gedrängt hat ihn aber dazu niemand.

WKStA-Staatsanwältin gab genervt auf

Das Land Steiermark und die Stadt Graz riefen im Jahr 2021 den „Gerhard Hirschmann Preis für Kritisches Denken“ ins Leben. Dieser wurde im Oktober 2021 an die Ex-Korruptionsstaatsanwältin Christina Jilek verliehen. Eine von vier Staatsanwälten, die den Skandal zu untersuchen hatte. Die Preisträgerin ist auch Mit-Initiatorin des Anti-Korruptions-Volksbegehrens. Sie hat als Beamtin und Staatsanwältin ihren Auftrag zu Ermittlungen ernst genommen und ist offensichtlich in den Widerstand gegen Versuche der Einflussnahme und Unterdrückung getreten, sagte sie vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss als Zeugin aus. Jilek trat von ihrer Funktion zurück. Sie hat es abgelehnt, unter widrigen Bedingungen ihren Auftrag nur teilweise zu erfüllen und daraus persönlich Konsequenzen gezogen, um sich damit der Ohnmacht einer Mittäterschaft zu entziehen, die da lauten: Postenschacher, Freunderlwirtschaft, politische Intervention und mangelnde Transparenz. Sie hat mit ihrer Arbeit dazu beigetragen, dass der Schleier in einer Parallelwelt gelüftet wurde.

Der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek löste VP-Desaster aus

Ein Grund für Jileks Rücktritt lag im Justizministerium. Christian Pilnacek war über viele Jahre hinweg dort der mächtigste Mann. Generalsekretär, Chef der Weisungssektion, Cheflegist und damit so etwas wie ein Schatten-Minister. Denn nicht zuletzt die Umtriebigkeit und Machtbesessenheit des Spitzenbeamten mit den guten Kontakten in die ÖVP hatten dazu geführt, dass ÖVP-Minister, aber auch er selbst und auch Johann Fuchs, der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, also auch ein Aufsichtsorgan, über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA) Beschuldigte in einem drohenden Strafverfahren wurden.

Pilnacek hatte stets versucht, Spuren seiner Interventionen in Strafverfahren unsichtbar zu machen. Er hatte seine Chats stets gelöscht. Aber die Staatsanwaltschaft hatte in einem versteckten Ordner geheime Dokumente gefunden, die ihn schließlich zum Beschuldigten gemacht hatten. Wahrscheinlich hatte er nie damit gerechnet, dass ihm ein Staatsanwalt sein Diensthandy einmal wegnehmen könnte. Stand doch der Sektionschef Pilnacek irgendwie über den Dingen. Aber die Google-App merkt sich alles und IT-Experten konnten dann jene Dateien wieder aktivieren – darunter auch Verschlussakte, die den suspendiert gewesenen Sektionschef nichts angingen. Aus ihnen wurde ersichtlich, dass Pilnacek – besonders pikant – als Aufsichtsorgan der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt den Finanzminister Gernot Blümel, einen Freund von ihm, als Beschuldigten gegen die WKStA beriet. Dazu gehörte auch eine Vorinformation über die Hausdurchsuchung beim „Gernot“, wie Pilnacek den Finanzminister amikal nannte. Pilnacek spielte also quasi den privaten Strafverteidiger.

Pilnaceks Hass auf die WKStA

Die WKStA war Pilnacek formal untergeben. Sein Hass war auf eine Dienstbesprechung zurückzuführen, in der Pilnacek einen seiner cholerischen Auftritte hatte. Die Kollegen mögen doch die Ermittlungen in Sachen Eurofighter-Ankauf endlich „daschlagen“, dann werde er in einem anderen Fall ein Auge zudrücken, lautete seine Empfehlung. Was Pilnacek nicht ahnen konnte: Die Dienstbesprechung wurde von einem Teilnehmer der Besprechung heimlich aufgenommen. Davon erfuhren auch die Medien. Damit wurde der Grabenkrieg zwischen Pilnacek und der WKStA praktisch öffentlich. Der vorläufige Schlusspunkt war dann Pilnaceks Demütigung, indem ein Staatsanwalt-Kollege ihm sein Diensthandy abnahm und er sein Büro nicht mehr betreten durfte.

Interner Verrat und Intrigen

Es ist dies einmalig in der Geschichte der österreichischen Justiz und es wurde damit sonnenklar, wem nicht zu trauen war. Nicht rote Netzwerke haben die Justiz unterwandert, wie Ex-Kanzler Kurz und die ÖVP trommelten, sondern schwarze. Nicht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft spielte die Akten raus, wie behauptet wurde, sondern ein Sektionschef mit den besten Kontakten in die ÖVP, der sich auch zum erweiterten Kreis der viel zitierten „Familie“ zählte.

Pilnacek machte in der Folge weitere Fehler. Er traf zwei prominente Beschuldigte der Casinos-Affäre (Ex-Finanzminister Josef Pröll und Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner) demonstrativ in seinem Büro, er ging während des anhängigen Verfahrens gegen Raiffeisen-Bosse zum traditionellen "Sauschädelessen" des Raiffeisen-Konzerns. Er sprach in Chats mit Kollegen von einem "Putsch" der WKStA gegen Sebastian Kurz. Er versuchte, Finanzminister Gernot Blümel zu beraten, als bei diesem eine Razzia anstand ("Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?"). Er gab dessen Kabinettschef Hinweise, wie man den Erfolg einer Sicherstellung torpedieren kann. Er verfasste - offenbar ohne seine Ministerin Alma Zadić zu informieren - eine Gesetzesnovelle, die die WKStA bei Razzien behindert hätte: ein "Kopfschuss gegen den Rechtsstaat", wie es der Verfassungsrechtler Heinz Mayer nannte.

Ein weiterer Vertrauter von Christian Pilnacek war der ehemalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter. Die beiden waren engst befreundet und diffamierten hinter den Kulissen die Anti-Korruptions-Behörde WKStA, wie man aus wiederhergestellten Chats erfahren konnte. Brandstetter riet Pilnacek, die WKStA mit einem Verfahren wegen Amtsmissbrauch einzudecken. Pilnacek: „Ja, das müssen wir wohl tun. Die schießen die Republik zusammen“, zitiert „Falter“-Journalist Florian Klenk aus den aufgetauchten Chats. Brandstetter: „Richtig, muss sein!“ Pilnacek antwortet Brandstetter mit drei Worten: „Uns fehlt Trump.“


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