Steil nach unten – der Puls nach oben

Es gibt angenehme Erlebnisse, die das Leben nicht verändern, deren Bilder aber praktisch für immer im Gedächtnis gespeichert bleiben. So beschrieben Kollegen einen Tag Fahrtraining mit Profi-Instrukteuren im Herbst 2020. Und dies auf einer der spektakulärsten, neuen Off- und Onroad-Strecken Europas. Diese liegt an der Airbase One im Süden von Graz. Nein, nicht wie vermutet von Red Bull. Hausherr ist dort Mercedes.

Dann kam der erste Corona-Winter, gab es Lockdowns, hieß es Auf und Zu, bis Corona wieder alles sperrte. Nun steht das Re-Opening bevor. Der KLIPP-Bericht lockte tausende auf unser Online-Portal, aber auch das schweißtreibende Video zogen sich die Motorfans hinein. Und dieser Erlebnishunger, den die Menschen nach dieser langen „Fast-alles-zu-Phase“ wieder verspüren, ist der Auslöser, dass wir den Motorsport-Fans noch einmal Appetit machen wollen, sich diesen Kick zu gönnen.

Das KLIPP-Team konnte samt Kamera-Team im G-Class Experience Center exklusiv mit unterschiedlichen G-Klasse-Modellen – bis zum 585 PS starken AMG-G – im wahrsten Sinne des Wortes „er-fahren“, was man mit dieser 40 Jahre alten Offroad-Legende alles „anstellen“ kann. Sie ist nicht aus der Spur zu werfen.

Schon beim ersten Herantasten an den Grenzbereich baut sich so etwas wie ein Urvertrauen zum G auf. „Er ist fast so etwas wie ein mobiler Schutzengel.“ Sicher haben auch die über Funk gegebenen Tipps der Instruktoren dazu beigetragen. Selbst im G mitzufahren ist ihnen nicht erlaubt. Dennoch: Der Puls geht rauf, wenn auf halber Steigung die Räder durchdrehen, du fast gleichzeitig mit Bremse, Gas und Retourgang umgehen musst und es ziemlich rasch rückwärts nach unten geht. Da kommt schon leichte Panik auf. Es kostet viel Überwindung, wenn du mit Vollgas den „G-Rock“ hinauf beschleunigst und du vor dir nur noch den Himmel siehst. Oder wenn du deinen G behutsam von einem halben Meter großen Felsbrocken, ins nächste Schlagloch fallend, steil bergab manövrierst. Da begreifst du als unwissender Führerscheinbesitzer, was Geländefahren wirklich bedeutet.Knapp 400.000 Exemplare der Offroad-Legende liefen bisher in Graz-Thondorf vom Band. Mit dem Anspruch, dass der G der beste Geländewagen der Welt ist. Seit 43 Jahren hat er seine kantige Form beibehalten – das gibt’s weltweit kein zweites Mal bei einem Auto.

Spiel mit der G-Klaviatur

Sie kommen auf Einladung von Mercedes für zwei Tage nach Graz. Die oft milliardenschweren Kunden aus China, dem Orient, Russland, Amerika, Japan, USA oder wo immer sie herkommen wollen einmal den Ort erleben, wo ihr Auto entsteht. Das ist die Philosophie hinter dem neuen, spektakulären G-Class Experience Center Graz auf der Airbase One. Und sie können an der „Geburtsstätte“ ihres „Lieblingsspielzeugs“ über Fels, durch Schlamm und Wasser ausprobieren, was er wirklich kann. Dass es nicht mit dem eigenen G sein muss, macht es noch einfacher, auf seiner „Klaviatur“ zu spielen. Das sind die „magischen Tasten“ für die drei Differenzialsperren im G. Sie sperren die Hinterachse und die Vorderachse. Jedes Rad dreht sich gleich schnell und selbst wenn nur eines Grip (Traktion) hat, zieht sich der G fast wie von selbst aus dem ärgsten Schlammloch heraus. Auch durch 70 Zentimeter hohes Wasser bewegt er sich problemlos, ohne dass die Füße nass werden oder die Elektrik etwas abbekommt.

Der absolute Hammer der technisch völlig neu konzipierten G-Variante (seit 2018) ist aber, dass du durch Gelände bis 35 Grad Neigungswinkel kommst. Selbst wenn das Fahrzeug voll besetzt ist. Instinktiv will man dem G „helfen“, indem man seinen Oberkörper nach oben neigt. Aber das bringt natürlich gar nichts – auch nicht, wenn man das zu viert „praktiziert“.Es gibt kein Auto auf der Welt, das nach 40 Jahren dasselbe Design aufweist. Mit den Ingenieuren des Steyr-Daimler-Puch-Konzerns entwickelt, wurde das Fahrzeug bis 1999 in Österreich und anderen Ländern auch als Puch G verkauft. 2018 hat sich die G-Klasse praktisch neu erfunden – was das Innenleben betrifft. Alles wurde von den Ingenieuren überarbeitet, technisch auf den neuesten Stand gebracht – ohne den Charakter zu verändern. Aber einige fast unscheinbare Details mussten quasi als DNA erhalten bleiben: der Haltegriff am Beifahrersitz, das Ersatzrad, die eckigen Blinker – und selbst das Schließgeräusch der Türen.

Ob Fels, Schotter oder lehmiger Untergrund am „G-Rock“ – der G wird mit allem fertig. Es ist schier unglaublich. Nicht zuletzt auf dem „Iron Schöckl“, einer Metallrampe mit einer Steigung von bis zu 100 Prozent bleibt mir der Mund offen. Hinauf komme ich mir vor wie beim Losfahren auf einer Achterbahn, wenn‘s langsam steil nach oben geht. Vor einem nur der Blick in den Himmel, bevor es wieder abwärts geht. Und das alles schafft der G auch im Rückwärtsgang. Chapeau! – den Ingenieuren in Thondorf.

Nach einer Stärkung im Hangar wechseln wir auf die Onroad-Piste. Ich steige in einen knallroten AMG G 63 mit sage und schreibe 585 Pferdestärken unter der Motorhaube. Füße auf Gas und Bremse, die Nadel des Drehzahlmessers nach oben kommen lassen und dann Fuß weg von der Bremse. Wow! Mir bleibt die Luft weg! Diese Beschleunigung macht fast süchtig und es fällt mir schwer, das Fahrzeug nach zahlreichen Slaloms, Brems- und Ausweichmanövern sowie eben die Beschleunigungsfahrten wieder abzustellen.

„Prüfung bestanden“, beglückwünschen uns die Instruktoren und überreichen Plaketten und Urkunden – und auch noch ein kleines „Abschiedsgeschenk“: Als Passagiere brettern wir mit Micha, einer unserer Instruktoren – natürlich angeschnallt – im Rallye-Tempo über den Wald-Parcours. Nur soviel: Um es vornehm auszudrücken – wir waren nicht unfroh, als wir aussteigen durften.

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