Wenn eine offene Tür ein Leben verändert

3. Dezember – „Tag der Menschen mit Behinderung“. Im Herzstück81 wird Inklusion sichtbar.

Die Eingangstür steht weit offen. Drinnen hört man Stimmen, jemand lacht, ein Fön surrt. Der Geruch von frischer Farbe steigt in die Nase. Gerald Peyerl zieht routiniert den Rakel über das Sieb. Die Farbe drückt sich auf das T-Shirt darunter und der Schriftzug wird sichtbar: „Perfekt.“ Daneben trocknet sein Kollege Klaus Maier den Druck mit einem Fön.

Als nächstes ist Tanja Nowak an der Reihe, die bereits am Bügeleisen wartet. Wo früher Mode verkauft wurde, befindet sich seit zwei Jahren eine Werkstätte der Lebenshilfe Fürstenfeld – das Herzstück81 in Ilz. Ein 15-köpfiges Team arbeitet hier, davon 9 Menschen mit Behinderung. So weit, so normal.

Das Besondere: Die eingangs erwähnte Tür steht hier weit offen – im physischen und im übertragenen Sinn. Denn im Herzstück81 geht es vor allem um Sichtbarkeit. Um echte Teilhabe statt abgeschottetem Werkstattalltag. Menschen mit Behinderung zeigen ihre Fähigkeiten und Talente, in dem sie richtig coole Designs entwerfen.

Das alles geschieht auf Augenhöhe gemeinsam mit anderen in der Region: ob mit der örtlichen Marketing-Agentur M Effekt, dem Kreativstudio wekreat oder dem Kindergarten. Passend zum Leitgedanken des Herzstück81 sind auch die wöchentlich stattfindenden Kreativ-Workshops offen für alle Menschen aus der Region.



Der Erfolg gibt ihnen Recht: Nicht nur die Designs kommen gut an, es häufen sich auch die Anfragen, sodass Kooperationen mit Bedacht ausgewählt werden müssen. Und: Am 2. Dezember 2025 wurde das Herzstück81 mit dem Österreichischen Inklusionspreis ausgezeichnet, der von der Lebenshilfe Österreich und den Österreichischen Lotterien verleihen wird.

Warum es Sichtbarkeit braucht

Rund 128.120 Steirer:innen leben mit einer registrierten Behinderung – genau sind diese Zahlen jedoch nicht. „Menschen mit Behinderung kommen in der Statistik zu selten vor. Das erschwert Sichtbarkeit und gezielte Unterstützung“, betont Sandra Walla-Trippl, Generalsekretärin der Lebenshilfe Steiermark.

„Der erste Schritt ist das Gesehen-Werden“, so Sandra Walla-Trippl, „Über Inklusion müssen wir gar nicht erst reden, wenn Menschen mit Behinderung in Schule, Arbeit, Politik oder Kultur unsichtbar bleiben.“

Gravierende Folgen

Beispiele für die Auswirkungen fehlender Sichtbarkeit gibt es zahllose – mitunter auch mit gravierenden Folgen: Im medizinischen Bereich etwa werden Menschen mit Behinderung oft nicht mitgedacht. Als Konsequenz fehlen Strukturen für gesundheitliche Vorsorgeangebote und Untersuchungen. Krankheiten wie Darmkrebs werden bei Menschen mit Behinderung kaum oder nur zu spät erkannt.

„Es ist unsere gesellschaftliche Verantwortung, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung gesehen und gehört werden“, erklärt Sandra Walla-Trippl.

Zum 3. Dezember, dem Tag der Menschen mit Behinderung, ruft die Lebenshilfe Steiermark dazu auf, Menschen mit Behinderung in all ihrer Vielfalt und mit ihren Stärken und Fähigkeiten sichtbar zu machen. Sie müssen als Expert:innen in eigener Sache in der Politik und in Medien zu Wort kommen. Außerdem müssen sie in Studien berücksichtigt werden und es muss verlässliche Zahlen über ihre Situation geben, denn: ohne Daten keine Taten. Und ohne Sichtbarkeit keine Inklusion.

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