Mogel(ver)packung Kunsthaus?

KLIPP-Rückblick ins Jahr 2003: 80.000 feierten in der Innenstadt die Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres

Es war am 11. Jänner 2003. 80.000 Menschen feierten den Start zur Europas Kulturhauptstadt Graz. Sie zeigten sich begeistert von der Murinsel. Leider noch nicht vom Kunsthaus. Aufgrund von Konflikten konnte es erst neun Monate später eröffnet werden.

Und das Klippmagazin setzte sich ausführlich schon in den Jahren davor mit dem Bau auseinander. Unter dem Titel „Mogel(ver)packung Kunsthaus?“ gab es noch im Dezember 2002 einen umfassenden Bericht. Karl Fitzthum war der Autor.

Die ARGE Kunsthaus setzt offenbar aufs Vergessen: Eine transparente Blase war einmal die conditio sine qua non. Nun hält die Konventionalität Einzug. Von der allseits beachteten „Skin“ bleibt nicht viel mehr als die Optik. Die eigentliche Haut wird eine blickdichte Decke. Dem Mangel an Durchsicht sollen, wie bei der Biennale präsentiert, Lichtspiele am sonst funktionslosen Plexiglaskleid abhelfen. Eine Mogelpackung? Für eine recht aufwändige Wartung ist jedenfalls gesorgt.

Fitzthum sprach klarerweise auch mit dem Architekten und Juryvorsitzenden Volker Giencke. „Wir legen massiven Protest ein, sollte nicht zumindest die Plexisglasvariante umgesetzt werden, die eine durchschimmernde Blase garantiert. Denn alles andere [...] entspricht in keiner Weise den Qualitäten, die ausschlaggebend für die Kür des Cook-Fournier-Baus waren.“ *Zitat: Kleine Zeitung vom 25. 6. 2002, also noch vor der Präsentation der nunmehrigen Skin bei der Biennale von Venedig.

Und weiter in Story, die für Aufregung sorgte:

Seit seiner Kür zum Siegerprojekt leidet „Friendly Alien“ an einer rätselhaften Krankheit - einer Hautsache. Andere wiederum sprechen von einem „Blasenleiden“. Zwar hatten die britischen Architekten Cook/Fournier den blauen Wabbelpudding schön angerichtet, aber das Kochrezept nicht mitgeliefert. Gerade für die viel beachtete Blase fehlte eine Ausführungsplanung. Wohlweislich, meinen Insider. Denn die Umsetzung des amorphen, durchscheinenden Daches lag zumindest an der Grenze der Machbarkeit. Und dass gerade Graz diese technische Schallmauer durchbricht, daran zweifelten bauerfahrene Architekten von Beginn an. Weitsichtig etwa DI Karin Tschavgova (in Korso 5/2000), die zum Entwurf meinte: „Die Frage ist nicht, ob es gute Architektur ist, sondern ob es gute Architektur wird. Gelingt es den Architekten, den glatten [...] Eindruck der Haut in den großen Maßstab zu übersetzen, so ist schon viel gewonnen.

„Nach außen hin zumindest.“ Wahrlich prophetische Worte: Denn weder die Umsetzung in Teflon, einem Folienmaterial, noch in Laminat (verleimte Schichten), die für die gewünschte Transparenz der „Skin“ hätten sorgen können, ist machbar. So heißt es jetzt. Nicht zu reden davon, dass die Haut auch „organische“ Aufgabe, wie das Raumklima, übernehmen könnte. Doch Glaube versetzt bekanntlich Berge, zumindest auf dem Zeitungspapier: „Ein Haus von Weltruf entsteht (Wiener Wirtschaft), „es schreibt bereits Kultur- und Architekturgeschichte“, so Labg. Dr. Wolf Rauch.

Und auch die „Krone“, sonst Fürsprecher rustikaler Gustostückerl, war um Vergleiche nicht verlegen: „Auch Eifelturm und die Oper in Sydney wurden gegen Widerstand gebaut und sind jetzt Wahrzeichen.“ Architekturexperten werden wohl gemessener urteilen, schon deshalb, weil sie auch unter die Verpackung sehen. Und das ist die Skin nun eigentlich geworden.

„Spoiler“ statt Durchsicht

Von seiner originären Idee hat sich das Kunsthaus ein gutes Stück entfernt. Zwischen die Stahl-Tragekonstruktion, an der gerade gebaut wird, kommt eine Dämmebene, darüber ein Leicht-Deckenaufbau. Er erfüllt technisch gesehen sämtliche Dachfunktionen und ist bis auf wenige Gucklöcher blickdicht. Erst darüber wird das glitzern, was von der „,Skin“ übrig bliebt: eine Plexiglas-Haut aus einzelnen 3x2 Meter großen Platten, die auf die Decke aufgeständert montiert werden. Eine optische Lösung, die dem Auge helfen soll, die von Cook/Fournier erdachte Transparenz in die Bauwirklichkeit herüberzuretten. Damit bleibt auch ein Teil großer Architektur auf der Strecke, die der Bau für sich beansprucht.

Und so reagierten Hauptdarsteller des Projekts

Colin Fournier am 11. Mai 2000: „Es ist technisch durch verschiedene Füllungen möglich, die Haut durchscheinend zu machen. Für die oberste Etage ist natürliche Beleuchtung vorgesehen.“ Auf die Frage, ob das Kunsthaus bis 2003 mit dem vorgesehenen Budget von 450 Millionen realisierbar ist: „Technisch ist es machbar. Auch um den genannten Preis.“ (Quelle: Kleine Zeitung)

Prof. Günther Domenig (Anm.: verstorben am 15. Juni 2012): „Schwerer Fehler im technischen Detail“

„Ich kenne beide Architekten gut und bin mit Peter Cook befreundet, sonst hätte unser Büro den Auftrag gar nicht übernommen. Vielleicht war es mein größter Berufsfehler, hier einzuspringen. Aber das Projekt war wirklich großartig und ich freue mich jedes Mal, wenn ich an der Baustelle vorbeifahre. Dass die Haut sich nicht wabbelig umsetzen wird lassen, oder nur mit enormen Aufwand, war mir von Anfang an klar. Doch darum geht es jetzt nicht. Denn wenn ich höre, dass die Hautkonstruktion nicht durchscheinend wird, ist das etwas, was ich nie unterstützt hätte. Denn das ist technisch durchaus machbar, und wurde auch schon realisiert, etwa mit zwei Glasschichten außen und innen, mit einem dazwischenliegenden transparenten Dämmmaterial. Oder man hätte auch eine Lösung mit einem hochfahrbaren Sonnenschutz zur Wärmedosierung finden können. Dass nun die Skin nicht durchscheinend wird, halte ich für einen schweren Fehler im technischen Detail.“

Colin Fournier: „Intelligenter Kompromiss gefunden“

„Bei der Skin ging es um einen Kompromiss zwischen der gewünschten Transparenz und den Anforderungen eines modernen Museums, wo Temperatur- und Klimakontrolle an ersten Stelle stehen. Deshalb waren auch Abstriche an der anfangs großflächigeren Transparenz nach außen nötig, die dennoch an wichtigen Punkten erhalten blieb (Ausblicke auf die Mur und Schlossberg). Entscheidend für uns ist, dass die Radikalität des Baus mit seiner geschmeidigen Oberfläche so umgesetzt wird wie geplant, was keine Selbstverständlichkeit war. Dafür mussten wir Monaten hindurch kämpfen. Denn eine Lösung etwa mit ebenen Acrylglasscheiben wäre ein echter Bruch mit dem Entwurf und inakzeptabel für uns gewesen. Wenn es nur ums Wollen gegangen wäre, hätten wir auch für die Unterhaut gerne eine zweisinnig gekrümmte Unterkonstruktion gewünscht, die die Bewegung der Acryl-Haut mitmacht. Dieser aus puristischer Sicht sinnvolle Mehraufwand hätte aber die Kosten für die Haut verdoppelt. Bei gegebenem Zeit- und Kostendruck eine Unmöglichkeit. Übrigens ist die Unterhaut bzw. -konstruktion keine konventionelle Lösung, sondern state of the art.“

Volker Giencke: „Wir legen massiven Protest ein, sollte nicht zumindest die Plexisglasvariante umgesetzt werden, die eine durchschimmernde Blase garantiert. Denn alles andere [...] entspricht in keiner Weise den Qualitäten, die ausschlaggebend für die Kür des Cook-Fournier-Baus waren.“ *Zitat: Kleine Zeitung vom 25. 6. 2002, also noch vor der Präsentation der nunmehrigen Skin bei der Biennale von Venedig.

Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Sei der erste der kommentiert