„Soundcheck“ für Geburtsschrei
Den ersten Schrei des eigenen Kindes nach der Geburt zu hören, gehört für Eltern sicherlich zu den schönsten und emotionalsten Momenten im Leben. An diesen ersten Lauten des Neugeborenen aber auch sofort zu erkennen, ob es dem Kind gut geht oder nicht – daran forscht seit knapp einem Jahr ein Team rund um Florian Pokorny von der Klinischen Abteilung für Phoniatrie der Med Uni Graz.
„Mich interessiert alles, was ein Säugling von sich gibt“
Florian Pokorny beschäftigt sich an der Med Uni schon seit vielen Jahren mit den Lauten von Säuglingen. Der Stimmakustiker im KLIPP-Gespräch: „Ich fragte mich: Was wäre der früheste Moment, wo ich die menschliche Stimme nutzen könnte, um herauszufinden, ob es dem Baby gut geht oder nicht?“ Der Ansatz für die Pilot-Studie: Kann man bereits direkt nach der Geburt anhand der ersten Laute, die das Kind produziert, feststellen, ob der Säugling ein Problem mit der Lungenreife hat oder nicht?

Seit März vorigen Jahres führt man also Tonaufzeichnungen in den Kreißsälen der Uni-Klinik in Graz durch. „Uns war es wichtig, den Routineablauf nicht zu beeinflussen und auch die Diskretion in diesem doch intimen Setting zu wahren.“ Daher ist auch keine zusätzliche Person im Kreißsaal anwesend. Die Ton-Aufnahmen werden von den Hebammen unmittelbar vor der Geburt gestartet und einige Minuten nach der Geburt gestoppt. „Die Methode ist absolut nicht invasiv, sprich es ist keine Manipulation des Kindes erforderlich, man muss es nicht einmal berühren. Alles ist in den klinischen Routineablauf integrierbar.“

„Wir bearbeiten diese Aufnahme dann weiter und analysieren die Laute des Neugeborenen. In dieser ersten Studie geht es hauptsächlich darum, zu erkennen, ob man den Grad der Lungenreife hören kann.“ Für die Studie sind 16 Neugeborene vorgesehen – ab der 34. Schwangerschaftswoche bis hin zur 41. Schwangerschaftswoche, jeweils ein männlicher und ein weiblicher Säugling. „Wir versuchen zu eruieren, ob sich jene, die früher auf die Welt gekommen sind, anders anhören, als Neugeborene, die später auf die Welt gekommen sind.
Ampel-System mit KI
Die Vision von Florian Pokorny und seinem Team ist der voll automatisierte Ansatz. „Also Künstliche Intelligenz einzusetzen, die im Kreißsaal automatisch hört, wenn das Kind schreit und diese Schreie dann automatisch analysiert und abgleicht mit den Daten, die wir vorab hinterlegt haben.“ Mit einer Art Ampel-Prinzip. Grün, für „das hört sich dem Alter entsprechend normal an“ und rot könnte dem Geburtsteam symbolisieren: Vorsicht, das Kind hört sich so an, als hätten wir hier ein Problem mit der Lungenreife. „Aber soweit sind wir natürlich noch nicht.“
Bisher gibt es 14 Tonaufnahmen von Säuglingen und die Daten sind noch nicht vollständig analysiert. Also noch zu früh für Ergebnisse der Studie. Dennoch scheint sich schon abzuzeichnen, dass Säuglinge, die ein akutes Atemnot-Syndrom haben, doch signifikant andere Laute produzieren. „Dies scheint objektiv nachweisbar zu sein“, so Pokorny. Und auch eine erste „Nebenerkenntnis“ gibt’s: Weibliche Neugeborene „vokalisieren“, also schreien anders als ihre männlichen Artgenossen.
Und das ändert sich ja bekanntlich auch im Erwachsenenalter nicht mehr …
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