Nach LT-Wahl:
Es ist aus taktischen Gründen verständlich. Vorerst spricht der ÖVP-Vorstand heute Christopher Drexler einstimmig das Vertrauen aus – für Regierungsverhandlungen mit der FPÖ. Was danach kommt, bleibt offen. Die Verhandlungen beginnen diese Woche. Die ÖVP muss möglichst schnell zu einem Ergebnis kommen. Denn sollte sich FPÖ-Vorsitzender Mario Kunasek als kommender Landeshauptmann mit der SPÖ auf eine Koalition einigen, dann wäre die ÖVP völlig weg von den Fenstern der Macht im Land. Nur einer von beiden – ÖVP oder SPÖ – kann Juniorpartner in der Landesregierung werden. Der Andere muss nach 80 Jahren erstmals die Regierungsbank mit der Oppositionsbank tauschen.
Auch bei der SPÖ, die heute am späten Nachmittag tagt, wird ein unmittelbarer Rücktritt von Anton Lang nicht erwartet. In beiden Parteien spielen also die Wahlverlierer und deren engster Beraterkreis auf Zeit. In der Vergangenheit haben nach derartig klaren Verlusten die Spitzenkandidaten noch am Wahlabend ihren Rücktritt erklärt – wie ein Josef Krainer und eine Waltraud Klasnic. Und mit Verspätung im Jahr 2015 auch Franz Voves, sowie Michael Schickhofer 2019.
Es war wenig überraschend, dass der ÖVP-Vorstand Christopher Drexler das volle Vertrauen aussprechen würde, nachdem er diese Frage gestellt hatte. Sind doch praktisch alle wichtigen Funktionäre im Präsidium und im Vorstand von Christopher Drexler und seinem Vorgänger Hermann Schützenhöfer dort hinein reglementiert worden. Es gibt daher persönliche Abhängigkeiten und niemand wagt in einer solchen Schock-Situation, Klartext zu sprechen.
Politisch unbedeutend, aber für die Machtverhältnisse in der ÖVP-Zentrale am Karmeliterplatz bezeichnend. Dort hält der ÖAAB alle Fäden in der Hand. Josef Krainer und Waltraud Klasnic zogen sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik auch aus der Parteizentrale zurück. Nicht so Hermann Schützenhöfer. Er erhielt von seinem „politischen Ziehsohn“ ein eigenes Büro samt Infrastruktur – bis hin zur Zurverfügungstellung eines Dienstfahrzeuges mit Chauffeur. Zumindest bis zur endgültigen Entscheidung, wer im Lande bei der ÖVP künftig das Sagen hat, ist dieser Zustand verlängert.
Bei den Regierungsverhandlungen in Wien leitet mit Barbara Eibinger-Miedl als stellvertretende ÖVP-Landesobfrau und damit steirische Vertreterin einen wichtigen Ausschuss. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie damit bei einer künftigen Dreierkoalition von Graz nach Wien in die Regierung wechselt. Der Entschluss zur Entsendung nach Wien ins künftige Verhandlungsteam war allerdings schon vor dem Wahldebakel erfolgt und man ging davon aus, dass Drexler der Landeshauptmann verteidigen würde.
Aber auch Christopher Drexler selbst verfügt seit Anfang des Jahres über einen Plan B, der vor allem familiäre Hintergründe hat. Das Ehepaar Drexler wohnt zwar in Passail, aber er muss beruflich bis jetzt als Pendler täglich nach Graz und seine Frau (vormals eine enge Mitarbeiterin von Sebastian Kurz) pendelt die Woche über in die Bundeshauptstadt. Wien als Arbeitsplatz für beide wäre sicher weitaus familienfreundlicher und damit das Leben einfacher und mit viel weniger Stress zu gestalten.
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