Schuld sind die Anderen
Die einzige "entschuldigende Erklärung" für die heutigen TV-Auftritte des bereits abgewählten, aber noch amtierenden Landeshauptmannes Christopher Drexler ist sein Schockzustand über dieses für die steirische ÖVP noch nie da gewesene Wahldebakel. Und dieser Schock mündete bei Drexler in einer Realitätsverweigerung. Selbst bei einem Minus von 9,3 Prozent der Stimmen sah Drexler keinen Fehler bei sich und in der ÖVP. "Ich bin das Bauernopfer der Republik", lautete Christopher Drexlers Befund. Einen gewaltigen Anteil am schlechten Ergebnis habe Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seiner Vorgangsweise ausgelöst, nicht Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen und damit ihm Märtyrer-Rolle zu überlassen.
Auch neutrale Beobachter sehen darin, dass dies eine zusätzliche Dynamik zugunsten der FPÖ bei der Landtagswahl in der Steiermark ausgelöst hat. Aber die war in keinem Fall wahlentscheidend. Dies war viel mehr ein Umstand, den Politikwissenschaftler und Analytiker Prof. Peter Filzmaier herausgearbeitet hat. Christopher Drexler war als amtierender Landeshauptmann und Spitzenkandidat nur für sechs Prozent der Wähler der Grund, ÖVP zu wählen. Einen derart geringen Anteil an Attraktivität hat es noch nie für einen Spitzenkandidaten bei einer Landtagswahl gegeben.
Seine mangelnde Beliebtheit und Attraktivität als Landeshauptmann war schon in den letzten Monaten in den Kommentaren in den sozialen Medien nachzulesen.
Eines war daher nicht überraschend: Dass ihn sein politischer Schirmherr und "Erfinder" Alt-Landeshauptman Hermann Schützenhöfer auch heute Abend noch für den besten Kandidaten hielt. Auch eine Art Realitätsverweigerung und eine völlig verengte Sicht auf die steirische ÖVP. Diese hat sehr wohl weit mehr zu bieten, als nur den von Schützenhöfer als alternativlos besten Christopher Drexler. Der noch dazu im Jänner dieses Jahres in einem "Kleine-Zeitung"-Interview wortwörtlich erklärte: Er werde als Vize-Landeshauptmann nicht zur Verfügung stehen. Heute Abend drückte er sich um eine offene, mutige Antwort auf diese Frage.
Warum sollte jetzt auf einmal das nicht mehr gelten? Seinerzeit hat auch Franz Voves als Landeshauptmann erklärt, würde er nicht 30 Prozent der Stimmen erreichen, so trete er als Landeshauptmann zurück. Was er letzten Endes dann unter Druck auch vollziehen musste.
Doch Christopher Drexler scheute zumindest am Wahl Abend noch vor einer klaren Ansage über seine politische Zukunft. Er wird Montag, also morgen, im ÖVP-Parteivorstand die Vertrauensfrage stellen. Damit tut er seiner Partei keinen Gefallen. Der Parteivorstand wäre überfordert, sollte er morgen Christopher Drexler das Misstrauen aussprechen. Und auf eine gewisse Weise nimmt er damit auch die Funktionäre in Geiselhaft - trotz des Wahlfiaskos.
Vorgänger auf dem Landeshauptmann-Stuhl von Drexler, wie Josef Krainer oder auch Waltraud Klasnic, haben nach ihrer Niederlage klar deponiert, aus eigenem Antrieb das Amt des Parteivorsitzenden und damit auch die Funktionen zurückzulegen. Diese Chance muss der Demokrat Drexler für seine Partei und deren Zukunft eröffnen. Er ist ein Vollprofi in der Politik, wäre ein guter Minister, aber Landeshauptmann kann er nicht.
Bei seinem bisherigen Koalitionspartner Anton Lang klang das heute Abend schon etwas anders. Er, bereits 65-jährig, hat das schlechteste Ergebnis der steirischen SPÖ auf Landesebene erreicht. Kommt es auf Landesebene zu einer FPÖ-ÖVP-Koalition, dann ist Lang ohnehin Geschichte. Da ja dann die steirische SPÖ erstmals seit 70 Jahren nur noch die Oppositionsbank drückt, also nicht mehr in der Regierung sitzt. Und ein solches Szenario ist wahrscheinlicher, als Juniorpartner in einer Regierung mit Mario Kunasek als FPÖ-Landeshauptmann.
Aufmerksame Online-Leser des Steiermarkmagazin KLIPP haben das heutige Wahlergebnis bereits am Freitag (22.11.) in einem Betrag lesen können. Nicht weil wir in der Redaktion von KLIPP "gescheiter" sind als andere Kollegen, sondern weil wir uns bemühen, umfassende und breite Informationen zu bekommen.
Lesen konnte man unter dem Titel:
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