Was wird von IHM bleiben?
Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) feierte am 7. Mai 2022. coronabedingt verschoben in der Arbeiterkammer in Graz, offiziell seinen 70er. Geboren ist er am 29. Februar 1952, in einem Schaltjahr. Die Prominenz der Steiermark, aber auch jene Österreichs, vor allem aus dem bürgerlichen Lager, ließ ihn dort hochleben. Das größte Lob gibt es für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens traditionellerweise bei Geburtstagen und dann auch beim Abschied von dieser Welt. Es sei dahingestellt, wie viele das wirklich ehrlich meinen, aber es ist so.

Heute Vormittag kündigte Schützenhöfer nun für 1. Juli 2022 seinen Rücktritt an. Als designierten Nachfolger nannte er – wenig überraschend – Christopher Drexler. In einer Sitzung des ÖVP-Parteivorstandes und in der nächsten Landtagssitzung wird er dann (zumindest mit den Stimmen des Koalitionspartners SPÖ) auch zum Nachfolger von Hermann Schützenhöfer als Landeshauptmann gewählt.
Erinnerungen an „Schützi“
Hermann Schützenhöfer ist ein durch und durch politischer Mensch. „Politik als Beruf“ ist der Titel seiner Biografie, die anlässlich seines 70ers erschien. In den beiden Corona-Jahren gab er sich als Hardliner bei den Maßnahmen, sprach sich schon früh für die heiß diskutierte Impfpflicht aus – bis heute ist sie umstritten – und tätigte auch abschätzige Aussagen gegenüber Impf-Skeptikern. Kryptisch und typisch waren auch seine Auftritte im Zusammenhang mit den Whats-App-Skandalen in der ÖVP, die letztendlich mit dem Rücktritt von Sebastian Kurz ihren Höhepunkt hatten. Erst vor wenigen Wochen hatte Schützenhöfer in einem Interview die „Wiederkehr“ von Kurz in die Politik sinngemäß nicht ausgeschlossen.

Gefiel sich selbst
Hermann Schützenhöfer empfand sichtlich Genugtuung, wenn ihn Wiener Medien in den letzten Jahren in der Rolle des „erfahrenen Politikers“ zu den Problemen und Vorgängen in der Innenpolitik um seine Einschätzung fragten. Stand er doch jahrzehntelang als Stellvertreter und Nicht-Landeshauptmann wenig beachtet in der zweiten Reihe im Schatten erfolgreicher Parteifreunde. Erst seit 2015 genießt er – nur durch die Matura des Lebens gereift – als Nachfolger von Franz Voves als Landeshauptmann den Platz an der Sonne. Voves wurde bei der 70er-Feier in der AK am 7. Mai 2022 als Ehrengast heftig beklatscht. Übergab er doch das Amt des Landeshauptmannes 2015 praktisch über Nacht kampflos an seinen Freund Hermann. Mit ihm leert er noch bis heute so manches Gläschen. Seit seinem Ausscheiden aus der Politik ist Franz Voves bei keiner SPÖ-Veranstaltung mehr aufgetreten – sehr wohl da und dort in der ÖVP ...

Ende Februar 2022, anlässlich seines Geburtstages, wurde die Biografie von Hermann Schützenhöfer in kleinem Kreis präsentiert. Angeregt hat diese Christopher Drexler bei einem Abendessen in Alpbach, so schreiben die Autoren Herwig Hösele und Erwin Zankel. Letzterer, auch „Kleine-Zeitung“-Chefredakteur (1998-2006), war einer der profiliertesten Innenpolitik-Journalisten Österreichs und in jungen Jahren Presse-Referent der steirischen ÖVP. Hösele verdankt seine berufliche Laufbahn – bis hin zum Bundesrat – als ehemaliger Sekretär von LH Josef Krainer nur der ÖVP.

Christopher Drexler galt jahrelang als Kronprinz und Nachfolger von Hermann Schützenhöfer und steht ab heute als nächster Landeshauptmann fest. Die Bestellung und Wahl im Landtag ist nur noch ein formale Angelegenheit. Dies deshalb, weil das ÖAAB-Duo Schützenhöfer und Drexler das innere Machtzentrum der steirischen ÖVP bildet. Der Wirtschaftsbund und Bauernbund, in der Vergangenheit auch mächtige Teil-Organisationen, sind bei der Nachfolge-Frage kein Reibe-Baum mehr. Drexler verdankt seine Karriere praktisch Hermann Schützenhöfer. Er folgte diesem in allen Funktionen im ÖAAB – bis zum Obmann und jetzt Landeshauptmann. Hermann Schützenhöfer wiederum hat seinen Aufstieg in der Partei dem 2009 verstorbenen ÖAAB-Chef Franz Wegart zu verdanken. Ein weiterer Förderer war der 2019 verstorbene Gerhard Hirschmann, der ihm seit Schützenhöfers Zeit als Junge-ÖVP-Obmann freundschaftlich verbunden war.

Vom Lehrbuam zum Landesvater mit „Handschlagqualität“
So beginnen die Autoren Schützenhöfers Biografie. Es ist der Sonntag, 24. November 2019, 17 Uhr. Zitat: „Im Fernsehen erscheint das ORF-Hochrechnungsdiagramm zur steirischen Landtagswahl: Der Balken für die von Hermann Schützenhöfer geführte steirische Volkspartei schnellt um 7 Prozent auf mehr als 36 Prozent in die Höhe, jener der SPÖ sinkt um 6 Prozent auf nur mehr 23 Prozent. Unbeschreiblicher Jubel bei den Funktionären*innen und Wahlhelfer*innen, die in der Parteizentrale am Karmeliterplatz 6 gebannt auf die Hochrechnung gewartet haben, bricht aus. Hermann Schützenhöfer ist der große Wahlsieger, die Volkspartei, die 2005 die Mehrheit um den seit 1945 60 Jahre hindurch ununterbrochen gestellten Landeshauptmann verloren hatte, ist wieder mit Abstand stärkste politische Kraft im Lande.“

Geschlagen, Wahlverlierer, ist sein Koalitionspartner Michael Schickhofer (SPÖ). Der 39-Jährige trat daraufhin zurück. Anton Lang kam. Ein Misston blieb: Schützenhöfer hatte nämlich Schickhofer mit Handschlag sein persönliches Ehrenwort gegeben, die Wahl ohne dessen Zustimmung nicht vorzulegen. Diese wäre erst im Mai 2020 gewesen. Was damals noch niemand ahnte: Durch die zu Jahresanfang 2020 ausgebrochene Corona-Pandemie wäre dann alles anders gekommen. Doch Schützenhöfers Wortbruch führte ihn zum späteren Wahlsieg. Sebastian Kurz war es gelungen, zum zweiten Mal die ÖVP im Frühherbst 2019 in einer Nationalratswahl zum Sieg zu führen. Im Sog seines Erfolgs, einem Allzeit-Hoch der ÖVP, machte sich der ewige Zweite Schützenhöfer dann bei der Landtagswahl zum strahlenden Wahlsieger. Der 24. November 2019 wurde damit zum glücklichsten Tag in seinem politischen Leben.
Aufgewachsen am Pfarrhof
Geboren wurde Hermann Schützenhöfer im niederösterreichischen Edlitz bei Aspang. Der Vater war Landarbeiter im Umfeld der Pfarre. Hermann wuchs am Pfarrhof auf, besuchte die Volks- und Hauptschule und war ein fleißiger Ministrant.
Seine politische Prägung basierte darauf, als der Vater, dann schon in Wien Bauarbeiter, nach Schützenhöfers Schilderung sich weigerte, der roten Bauarbeiter-Gewerkschaft beizutreten und daraufhin entlassen worden sei. Dieses Bild des „ratlosen Vaters“ sei für ihn später der Antrieb gewesen, gegen den Betriebsterror gewerkschaftlicher Allmacht anzukämpfen. Die Familie siedelte nach dem Hauptschulabschluss nach Kirchbach in die Oststeiermark. Hermann besuchte den Polytechnischen Lehrgang und erhielt darauf einen Lehrplatz beim örtlichen Gemischtwarenhändler. Dort schloss er auch seine Lehre ab.

Wichtige Stationen in seinem Leben
In seiner Freizeit Heimatberichterstatter bei der „Kleinen Zeitung“, Mitarbeiter beim Junge-ÖVP-Blatt „Orizont“. 1970 dann die Anstellung als stellvertretender Landessekretär der Jungen ÖVP. Obmann der Jungen ÖVP von 1976 bis 1979. ÖAAB-Landessekretär ab 1978. 1981 Landtagsabgeordneter. 1982 ÖAAB-Landessekretär. 1994 ÖVP-Klubobmann im Landtag. 1995 ÖAAB-Landesobmann.
Seit dem Jahr 2000 Landesrat. 2005 Erster Landeshauptmann-Stellvertreter (nach dem Wahldebakel von Waltraud Klasnic). 2015 Landeshauptmann (weil Landeshauptmann Franz Voves seine Funktion kampflos an seinen Freund Hermann Schützenhöfer übergab). 2019 klarer Sieg bei der Landtagswahl und neuerlich zum Landeshauptmann gewählt.
Was wird an Erinnerungen bleiben?
In der ÖVP-Chronik, dass er nach zehn Jahren am grünen Tisch und nach 14 Jahren wieder den Landeshauptmann für seine Partei zurück holte, den die ÖVP zuvor über 60 Jahre in der Steiermark für sich gepachtet hatte. Mit seinem Wahlsieg im November 2019 kehrte in der steirischen ÖVP das verloren gegangene Selbstbewusstsein wieder zurück.
Österreichweit für Aufmerksamkeit sorgte Schützenhöfers Forderung als ÖAAB-Funktionär im Jahr 1984 nach einem Mindestlohn für Arbeitnehmer. Politisch umstritten waren die Gemeindefusionen in der Steiermark (von 542 auf 287) in der SPÖ-ÖVP-Koalition mit Franz Voves.

Für ein bleibendes Image als christlich-sozialer Leuchtturm-Politiker fehlt Schützenhöfer zu viel. Sieht man von allgemeinen, erhabenen Formulierungen ab, in der Sozialpolitik weniger mit dem Gießkannenprinzip zu hantieren, den Schwachen und Armen zu helfen.
Nie hörte man von Schützenhöfer glasklare und nachhaltige Aussagen, dass zum Beispiel das christliche Menschenbild als Grundlage der Politik auch Auswirkungen haben müsste auf die Außenpolitik der Kurz-Regierung oder auch der gegenwärtigen Koalition. Er zieht die christlichen Werte nur selektiv heran („Arbeit gehört zum Sinn des Lebens“), meidet aber „wie der Teufel das Weihwasser“ diese bei den Themen Asyl, Flüchtlinge, der unantastbaren Menschenwürde jedes Menschen, unabhängig von seiner Hautfarbe.
Drei Qualitäten sind vornehmlich entscheidend für einen Politiker, zitiert Hermann Schützenhöfer in seiner Biografie Max Weber: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß. Wobei Weber hinzufügt: „Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit, also der Hingabe zur Sache.“ „Wer in Not ist, der ist dein Nächster“, lautet in der christlich-sozialen Lehre die Quintessenz der biblischen Botschaft. Sein Leben als praktizierender Katholik trägt Schützenhöfer wie eine Monstranz vor sich her, hält sie hoch – um da und dort unbeobachtet leichter darunter durch zu gehen?

Heute dann die Rückzugsfanfare
Heute nach dem ÖVP-Landesparteivorstand gab es einen gemeinsamen Auftritt vor der Presse. Schützenhöfer ist überzeugt, dass Christopher Drexler für das Amt sei, weil er ein auch ein Stratege ist und die Politik somit gestalten kann. Drexler wiederum ist auch sehr emotional in seinem Statement. Er spricht davon, dass ihn ungeheure Energie und Freude durchflute für die Aufgabe als Landeshauptmann. Schützenhöfers Bemerkung: „Nur an seiner Beliebtheit müssen wir noch arbeiten. Da müssen alle zusammen helfen.“

Er habe die Übergabe und seinen Rücktritt lange und ordentlich vorbereitet, was in Österreich schon sehr selten sei, lobte er sich heute selbst in seiner Erklärung. Warum er dann in den letzten Monaten bei Medienauftritten immer wieder davon sprach, dass er überlege, noch einmal anzutreten und seinen kurzfristigen Rücktritt (Präsident Van der Bellen ist 78) in Abrede stellte – darauf gibt er keine Antwort. Offensichtlich wäre für ihn nichts bitterer gewesen als ein schmuckloser Abschied.
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Das Steiermarkmagazin KLIPP hat bereits im letzten Sommer (Juli 2021) darüber exklusiv berichtet, dass Hermann Schützenhöfer seinen Abschied diskret vorbereitet.
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