Und was hat eine Kärntnerin hier zu suchen?

Der Sommer im Greith-Haus gehört Maria Lassnig

Draußen vor dem Greith-Haus spielt beim Pfarrfest die Blasmusik auf und gibt‘s Sonntagsstimmung. Tritt man ein, wird‘s fast andächtig still und ist es angenehm kühl. „Klein, aber fein“, lesen wir im aufliegenden Gästebuch. „Berührend ist der Comic-Strip und wie Maria Lassnig die Kantate über ihr Leben bringt. Als hätte sie es gestern und nicht schon 1992 gemacht. Eine beeindruckende Frau.“

Die Kärntnerin Maria Lassnig (1919 bis 2014) zählt zu den bedeutendsten Malerinnen der Gegenwart. Der Kuratoriumsvorsitzende der Maria Lassnig Stiftung Peter Pakesch bringt am Rand der Eröffnung in St. Ulrich im Greith-Haus ein Bonmont: Bis vor zehn Jahren wäre es in der Steiermark Usance gewesen, prominente, lokale Kunstschaffende zu zeigen. Selbst die Herkunft aus einem benachbarten Bundesland schien damals suspekt. Pakesch spricht aus dem „Nähkästchen“, war er doch bis 2015 selbst Leiter des Universalmuseums Joanneum in Graz.

Sollte Kunst in Hinkunft nur noch bei denen sein, in deren Umfeld sie auch geschaffen wurde? - fragt Pakesch in seinem Beitrag im Ausstellungskatalog „Be-Ziehungen“. Und wie kommt die Kärntnerin Maria Lassnig in die Steiermark? Er liefert dafür ein Faktum: 1970 war Lassnig gerade erst zwei Jahre in New York, als Wilfried Skreiner die bereits 50-jährige Künstlerin nach einer langen Suche zu ihrer ersten großen Museumsausstellung in die Neue Galerie nach Graz einlud. Dazu ist zu sagen, dass Personalausstellungen bedeutender österreichischer Künstler in repräsentativen Museen des Landes zu Lebzeiten rar waren, für Künstlerinnen noch rarer, wenn nicht gar unmöglich. Die Neue Galerie in Graz war, vor allem unter ihrem langjährigen Leiter Wilfried Skreiner, eine bemerkenswerte Ausnahme.

Es lohnt sich, so Peter Pakesch, biografisch zurückzublicken, um zu ermessen, welch weiten Weg diese Frau aus Kärnten gegangen ist, ja gehen musste, um dorthin zu gelangen, wo wir sie heute sehen. Die Biografie berichtet von der früh Begabten, der die Mutter Zeichenunterricht zuteil werden ließ – keine Selbstverständlichkeit in der eher noch kulturfernen Umgebung ihres Aufwachsens. Nach kurzer Lehrtätigkeit in den Volksschulen in Mettnitztal, wo es sie viele Jahre später wieder hin verschlagen sollte, kam Lassnig während des Krieges an die Akademie nach Wien. Ihre Fahrt zur Aufnahmeprüfung mit dem Fahrrad ist heute legendär. Auch ihr mit heutigen Augen kaum nachvollziehbarer Widerstand gegen die NS-Kunst ist Faktum. Das Kriegsende brachte eine traumatische Rückkehr der frischen Absolventin nach Klagenfurt. Traumatisch, da die Zugfahrt angeblich einige Kilometer vor Klagenfurt im Bombenhagel ihr Ende fand.

Nach dem Krieg war die junge Maria Lassnig hungrig nach Neuem und wollte sobald wie möglich weit hinaus. Paris, die damalige Metropole der Moderne, war 1960 ihr Sehnsuchtsort. Mit Hilfe eines Stipendiums ging es los. Sowohl Lassnig als auch ihr Reisebegleiter Arnulf Rainer sollten verändert zurück kommen und Österreichs Kapitel der Informellen Malerei begründen.

1968 zog sie weiter nach New York und dachte trotz der harten bitteren Jahre dort, nie nach Österreich zurück zu kehren. „Wie ich in New York angekommen bin“, sagte sie später, „da habe ich das Gefühl gehabt, ich bin am Mond, weil alles anders war.“ Sie fühlte sich dort als Astronautin, eine Außerirdische und reagierte auf all diese Gefühle, indem sie sich in die Skyline als übergroßes Monster, als weiblicher King Kong in nackter, stolzer Pracht hinein malte.

1980 brauchte es mehrere Anrufe der österreichischen Ministerin für Kultur Hertha Firnberg, bis Maria Lassnig das Angebot einer gut dotierten Professur in Wien annahm und sie die USA in Richtung Heimat verließ. Als er, so Peter Pakesch im Katalog des Greith-Hauses, sie zum letzten Mal besuchte, hatte sie – schon sehr gebrechlich – die doppelseitige Ausstellungskritik einer großen New Yorker Zeitung vor sich liegen. Es war Lassnigs erste Retrospektive im MoMA PBS1 in New York, wohl ihrem lebenslangen Ziel. Der Stolz darauf machte sie wieder sehr jugendlich. Peter Pakesch: „Da konnte sie in Ruhe gehen.“

PS: Auf der Rückfahrt von der Ausstellung hören wir in den ORF-Nachrichten zufällig, wie Red-Bull-Racing-Chef Helmut Marko „darüber philosophiert“, wie viele Kleinigkeiten über Sieg oder Niederlage bei einem Rennen entscheiden. „Seiltanz“ ist ein Lassnig-Bild aus seiner Sammlung „Schloßberghotel“ in Graz, das neben anderen steirischen Exponaten in der Ausstellung zu sehen ist.

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