Kein Gespür für Gedenken und Trauerarbeit

Der ORF und weitere Medien

Da wird der Begriff der Trauer und die Frage nach dem Warum für den Amoklauf in jeder Sendung, jedem Bericht, Gespräch und Interview bis zum Geht-nicht-mehr strapaziert. Nur, leider fehlt den ausführenden Kollegen oder Verantwortlichen im Hintergrund allzu oft das Einfühlungsvermögen für die Situation. Im Folgenden nur einige Beispiele:

Da kommt im zeitlichen Umfeld zwischen ZIB und der nächsten Spezialsendung eine Werbepause. Und nachdem ausführlich über die schrecklichen Ereignisse berichtet wurde und im Nachhinein wieder darüber diskutiert wird, flimmert die muntere, lustige XXXLutz-Werbung anlässlich des 80. Firmengeburtstages über die Bildschirme. Geht’s noch instinktloser?

Da interviewt ZIB-Moderator Tarek Leitner, Franz Ruf, als Generaldirektor für öffentliche Sicherheit und damit den obersten Polizisten der Republik. Ziemlich barsch, fast vorwurfsvoll die Frage Leitners, warum um 10:01 Uhr am Vormittag ein Anrufer aus der Nachbarschaft sich am Notruf wegen der Schießerei in der Schule meldete – und nicht jemand aus der Schule selbst … Geht’s noch dümmer und unsensibler, Herr Leitner?

Da interviewt ZIB-Moderator Armin Wolf die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr nach dem Trauergottesdienst im Grazer Dom und fragt sie unter anderem: Ich weiß aus einem früheren Interview, Sie sind nicht religiös. Wie haben Sie den Gottesdienst empfunden? Kahr ist derart perplex über die dumme Frage, dass sie zu keiner Antwort fähig ist. Ein „Segen“ und natürliche Reaktion in diesem Moment.

Da zeigt sich Simone Stribl als Moderatorin in der Sendung „ZIB Talk“ völlig überfordert. Ihre naiven Fragen tun einem als Zuseher direkt weh. So lautet am Tag des Amoklaufs eine Frage: „Sollte es eine vielleicht auch eine Übung für einen Amoklauf geben? Was macht das mit den Schülern? Ist das sinnvoll?“ Die angesprochene Bundesschulsprecherin Mira Langhammer: „Ich finde, es ist eine Diskussion, die es zu führen gilt. Aber nicht unbedingt jetzt. Wir befinden uns gerade in einer dreitägigen Trauerphase als Land Österreich … Primär steht was Anderes im Vordergrund. Nämlich die Anteilnahme und Verarbeitung von dem, was heute geschehen ist …“

Es wäre vernünftiger, würden sich die Journalisten vorerst im Stillen gründlich vorbereiten auf ihre Aufgabe, ihrem Gegenüber wirklich zuhören und erst dann fragen. Damit würden sie nämlich wirklich einen Beitrag zur Trauerarbeit leisten. Denn diese setzt vor allem auch Stille voraus.

Als Journalist ist mir bewusst, dass es eine Informationspflicht für die öffentlichen Medien gibt. Nur mit derart dummen Fragen kommt man dieser Informationspflicht nicht nach. Ich entschuldige mich in diesem Sinne als Journalist für solche Fehlleistungen und bitte die Zuhörer und Zuseher um Nachsicht. Offensichtlich sind diese die Folge der Stresssituation mit mangelnder Vorbereitung.

JL

Kommentare und Antworten

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Bemerkungen :

  • user
    Alois Kowald June 13, 2025 um 1:38 pm
    Da geb ich Dir vollkommen recht. Auch ich hab mir bei den ORF Sendungen genau das gleiche gedacht. Der Herr Wolf ist absolut ungeeignet für derartige Situationen, abgesehen davon, dass er überhaupt NICHT verständlich spricht. Beim Leitner verspürt man überhaupt kein Gefühl für Betroffene, wenn er mit halb lächelnden Gesichtszügen das Interview führt. Vielen Dank für Deine zutreffenden Anmerkungen.