ORF gehört entpolitisiert

Hunderttausende österreichische Haushalte, die bisher keinen ORF-Beitrag zahlten, sind mit 1. Jänner 2024 per Gesetz verpflichtet, die neue Haushaltsabgabe von rund 20 Euro im Monat zu entrichten. Aufgrund der Länderabgabe ist der exakte Betrag in den Bundesländern unterschiedlich. Bis längstens Juni dieses Jahres will der ORF Zahlungssäume nicht sanktionieren. Dann sollen Zwangsmaßnahmen zur Eintreibung der Gebühr folgen. Wie viele österreichische Haushalte letztendlich sich auch diesem nicht beugen werden und es auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen, wird sich erst weisen. Einer hat bereits Abhilfe versprochen – FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sollte er und seine Partei neuerlich den Sprung in eine Regierungskoalition schaffen, dann käme es im Rahmen einer ORF-Reform wieder zur Abschaffung dieser Zwangsmitgliedschaft.
Alles verpolitisiert
Am 26. September traf der Verfassungsgerichtshof in öffentlicher Sitzung eine bemerkenswerte Entscheidung. Die derzeitige Form der Bestellung der Mitglieder von Stiftungsrat und Publikumsrat des ORF verstoße gegen das Gebot der Unabhängigkeit und des Pluralismus. Mit anderen Worten: Die höchsten ORF-Organe sind verpolitisiert. Die Regierung und vor allem das Kanzleramt hat zu viel Gewicht. Das ORF-Gesetzt ist damit zum Teil verfassungswidrig und gehört reformiert.

Angestoßen wurde das vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der gegen die Übermacht der Politik, konkret der Regierungspartei, im Stiftungsrat des ORF geklagt hatte und damit die Reform in Bewegung setzt. Bis März 2025 muss die Regierung das ORF-Gesetz reparieren und damit die Aufsichtsorgane neu, also politikferner, abmischen.
Staatsnahe Machthaber
Derzeit werden 30 der 35 Mitglieder des ORF-Stiftungsrat von staatsnahen Stellen bestellt. Nämlich von der Regierung (9), den Parlamentsparteien (6), den Bundesländern (9) und vom ORF-Publikumsrat, in dem das Kanzleramt und die Medienministerin sowieso das Sagen haben (6). Nur die 5 vom Zentralbetriebsrat beschickten Mitglieder sind staatsfern. Das führt dazu, dass die ÖVP seit längerem im ORF-Stiftungsrat über eine satte Mehrheit verfügt aus direkt von ihr entsandten 16 und ihr nahestehenden Räten.
Im Publikumsrat für Hörer- und Seher-Vertretung, der eigentlich die Zivilgesellschaft repräsentieren soll, der der ORF als öffentlich-rechtliches Medium schließlich gehört, ist es nicht besser: 22 der 33 Räte sind staatsnah, „weil sie von der Medienministerin, die 17 bestimmen darf und den Parteiakademien (5) bestellt werden.“ Der Werbespruch „ORF wie wir“ spricht ja Bände. Weil damit offensichtlich auch die Politik gemeint ist.

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Die Beschickungsmodalitäten des Stiftungsrats sind wirklich von gestern. Denn dort könne die Regierung nicht 9 Köpfe bestimmen, so der Verfassungsgerichtshof, wenn der Publikumsrat nur 6 bestimmt.Und schon gar nicht gehe es an, dass im Publikumsrat die Bestellung von gar 17 Vertretern weitgehend in das Belieben des Bundeskanzleramtes bzw. der Medienministerin gestellt ist. Das verstößt eindeutig gegen die verfassungsrechtlichen Gebote der Unabhängigkeit und pluralistischen Zusammensetzung dieses Leitungsorgans.
Die ORF-Aufsicht gehört entpolitisiert
Aber wie soll das gehen? Ein Blick nach Deutschland zeigt den Weg. Dort hatte das Bundesverfassungsgericht den ZDF-Verwaltungsrat schon vor zehn Jahren geklickt, mit ähnlichen Argumenten. Jetzt hat er nur mehr 12 Mitglieder: 4 werden von den Ländern berufen, 8 vom Fernsehrat, dem Gegenstück zum ORF-Publikumsrat. Dieser wird wirklich von Organisationen der Zivilgesellschaft und nicht, wie in Wien, vom Kanzleramt beschickt. Damit ist der Einfluss der Politik im Fernsehrat auf maximal ein Drittel beschränkt.
Der Publikumsrat in Österreich besteht zum Beispiel aus drei türkisen und drei grünen Vertretern, der Zentralbetriebsrat aus zwei roten und drei schwarzen. Die Bundesländervertreter sind sechs Mal schwarz und zweieinhalb Mal rot bzw. eine Hälfte blau. Der Stiftungsrat, von der Bundesregierung beschickt: Unter den neun Mitgliedern sind fünf schwarze, zwei grüne und zwei sogenannte unabhängige.
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