Der mit der „Apotheker-DNA"

Am Hauptplatz in Graz holt Prof. Bernd Milenkovics in einem kleinen, aber feinen Museum die Heilmittelkunst aus dem Vergessen

„Seine“ Adlerapotheke besteht seit 1535. Sie ist die älteste und heute die bekannteste in der steirischen Landeshauptstadt. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgt eben 1535. Damals wurde sie von den Ständen als „Landschaftliche Offizin“ errichtet – als Verkaufsraum für Heilmittel – und einem gewissen Italiener Domenicus (Clemens) zur Führung übergeben. Seit 1817 ist sie am selben Platz – am Hauptplatz.

„2019 haben wir vom Keller bis zum 1. Stock alles umgebaut. Zum vierten Mal in meiner Zeit“, begrüßt uns Prof. Mag. pharm. Bernd Milenkovics. „Während des Umbaus tauchten aus Kellern, Offizin und den Lagerräumen eine Reihe von Apotheker-Antiquitäten und alten Standgefäßen sowie Erinnerungs- und Schaustücke an den ersten Apotheker in unserer Familie auf. Dieser erwarb 1919 die Adlerapotheke. Es war die Entscheidung, das alte Zeug entweder zu entsorgen oder etwas daraus zu machen. Und das habe ich mir am Ende meiner Berufslaufbahn zum Ziel gesetzt – ein Adlerapothekenmuseum zu errichten.“

Es wurden Räume neu angemietet, die Einrichtung einer Restaurierung unterzogen und an die Räumlichkeiten angepasst. Die Ausstellungsstücke wurden in eine gewisse Systematik gebracht und interessierten Besuchern nach Voranmeldung zugänglich gemacht. Das erfreuliche Ergebnis ist ein kleines, aber feines Museum im Dachgeschoß. In gut einer Stunde erfährt der Besucher viel über 500 Jahre Heilmittelkunst. Man staunt, welche Gefäße und Vielfalt an Pillen, Pastillen, Pulver, Tinkturen, Globuli, Extrakten, Salben, Pasten, Pflastern, Kapseln, wie, wodurch und mit welchen Geräten hergestellt wurden.

Prof. Milenkovics, viele Jahre auch Präsident des Kneipp-Bundes: „Die Herstellung von Tabletten geschieht heute nur noch maschinell durch Automaten.“

Im Wandel der Zeit

Weder in Rom noch in Griechenland waren Arzt oder Apotheker als Berufe von einander getrennt. Im alten Griechenland gab es sogar mehrere Gruppen, die sich mit der Heilkunde befassten. Die einen beriefen sich auf Pythagoras, eine andere Gruppe beschäftigte sich mit Giften und Zaubermitteln und andere schworen auf die Wirkungen von Pflanzen. In Rom war die Aufteilung ähnlich. Drogisten, Verfertiger von Salben und Parfums, Bereiter medizinischer Bäder, Verfertiger von Aphrodisiaka und Abtreibungsmitteln und Giftmischer.

Später begann man mit dem Heilpflanzen-Anbau in Klöstern (Hildegard von Bingen!). Sie kennt 270 Arzneipflanzen, die meisten mit deutschem Ursprung. Im 16. Jahrhundert – vorher sorgte noch ein Paracelsus für revolutionären Einfluss auf die Entwicklung der Pharmazie und Medizin – wurden zahlreiche Apotheken gegründet und die Apotheker traten als wissenschaftliche Schriftsteller hervor. Es gab ja zu dieser Zeit keine Universitätslabore. Botanische und chemische Werke sowie Arzneibücher entstanden in großer Zahl.

Apotheker wurden im 18. Jahrhundert zu den größten Chemikern aller Zeiten. 1797 gründete man in Magdeburg einen Apothekerverein. Und in dieser Zeit begann in der Habsburger Monarchie auch der staatliche Einfluss auf die pharmazeutische Ausbildung. Vielfach waren es Apotheker, die die fabriksmäßige Produktion von Arzneimitteln initiierten. Gerade die pharmazeutische Industrie sollte es aber sein, die das Selbstverständnis der Apotheker zu Ende des Jahrhunderts zu erschüttern begann. „Deren Produkte konnte man im Handel kostengünstiger, reiner und mit geringerem Aufwand erhalten, als ein Apotheker sie herzustellen imstande war“, schildert Prof. Milenkovics. „Um die Mitte des 20. Jahrhunderts begann die Dominanz biologischer Heilmittel, Antibiotika, Vitamine und Hormone.“

Prof. Milenkovics: „Früher verlangte der Kunde ein Mittel gegen Kopfweh und war damit zufrieden. Heute, mit dem Internet, zeigen sich die Kunden oft schon vorinformiert über die diversen Medikamente. Unsere Beratung und Aufklärung über Wirksamkeiten und mögliche Nebenwirkungen ist daher ganz, ganz wichtig.“

Die Adlerapotheke habe sich mit der Rezeptur und der Herstellung von Hausspezialitäten im Laufe der Jahrzehnte einen Namen gemacht, so Pharmazeut Prof. Milenkovics. Er übernahm die Apotheke 1980 und heute steht seine Tochter Nina, auch eine Pharmazeutin, ihm zur Seite. Übrigens: Milenkovics‘ Frau Silvia ist mit Sohn Maximilian und Schwiegertochter Emilia in der Opernapotheke „am Werken“. 50.000 Kundennamen sind in der EDV gespeichert. 25.000 davon sind aktive. „Überwiegend Frauen. Das ist keine Überraschung. Weil die Männer sagen: ,Geh’ Schatzi, nimm’ für mich mein Medikament mit oder bring’ mir was gegen meine Verkühlung.‘“

Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Sei der erste der kommentiert