Heilsbringer bringt Unheil

Sebastian Kurz – der Lance Armstrong der Politik?

Sein jugendlicher Elan, seine stilvollen Auftritte, seine ruhige Art, seine wohlformulierten Sätze begeisterten ÖVP-Granden und über fünf Jahre hindurch auch das Wahlvolk. Foto: Heimo Ruschitz

Es war das Jahr 2017. Der aufstrebende Jungstar Sebastian Kurz brachte die über Jahre sieglose Österreichische Volkspartei wieder zurück auf die Siegerspur. Sein jugendlicher Elan, seine stilvollen Auftritte, seine ruhige Art, seine wohlformulierten Sätze begeisterten ÖVP-Granden und über fünf Jahre hindurch auch das Wahlvolk. Man kniete vor ihm, gab ihm als Parteiobmann eine Machtfülle, wie sie kein ÖVP-Obmann vor ihm hatte. Sebastian Kurz gewann mit seinem eingeschweißten, ihm total ergebenen Team aus seiner Zeit als Staatssekretär und Außenminister eine Wahl nach der anderen. Doch nun steht er am Abgrund, droht der tiefe Fall vom Heilsbringer zum Unheilsbringer.

Irgendwie erinnert mich diese Situation an den US-Radprofi Lance Armstrong. Er war der Megastar im Radsport. Fünf Mal fuhr er – ebenfalls mit seinem Team – bei der Tour de France die Konkurrenz in Grund und Boden und wurde in Paris als strahlender untadeliger Triumphator gefeiert. Wer daran zweifelte, dass im dopingverseuchten Radsport Lance Armstrong der Messias ohne Fehl und Tadel war, also alles in seinem Team mit rechten Dingen zuging, der wurde verklagt und damit kaltgestellt. In unzähligen TV-Auftritten, Büchern präsentierte sich Lance Armstrong als Sportler mit reiner Weste und Superstar. Dem nie einfallen würde, mit verbotenen Methoden und Substanzen zu seinen Erfolgen zu kommen. Alle Welt applaudierte. Bis ihn die Vergangenheit doch einholte und eines seiner Team-Mitglieder des Dopings überführt wurde. Lance Armstrong leugnete beharrlich jedwede Mittäterschaft. Bis er dann doch ein Geständnis ablegte und ihm fünf Tour-de-France-Siege aberkannt wurden.

Nun wird auch Sebastian Kurz von seiner Vergangenheit eingeholt. Die drohende Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Untreue, Bestechlichkeit, Korruption gegen ihn und seine langjährigen, engsten Mitarbeiter steht bevor. Die vorgeworfenen Straftaten gehen bis ins Jahr 2016 zurück, als Vorgänger Reinhold Mitterlehner als Parteichef aufgab. Auch wenn Sebastian Kurz nun gebetsmühlenartig wiederholt, dass er nie einen Auftrag für irgendeine manipulierte Umfrage usw. gegeben und auch nichts unterschrieben habe – befreit ihn dies nicht von seiner Verantwortung. Einige seiner Mitarbeiter, die für seine Rundumbetreuung verantwortlich zeichnen, haben die „Schmutzarbeit“ erledigt. Ähnlich wie in wohlbekannten Familienclans in Asien oder auch in Europa, wo das Oberhaupt sich stets mit weißer Weste zeigt.

Noch dazu fehlt bei den verhängnisvollen SMS mit seinen engsten Mitarbeitern ein entscheidender Ansatz. Kein „Stopp, das will ich nicht“, „ein solches Vorgehen wünsche ich nicht“. Sondern im Gegenteil. Sebastian Kurz bedankt sich dafür mit „weiter Vollgas geben“, „super“, und, und.

JL

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