COVID-19: Grazer Wissenschafter forschen an Prognosetools

Biomarker könnte besonders schwere Krankheitsverläufe prognostizieren

Foto: Med Uni Graz

Vieles haben wir nach mittlerweile zwei Jahren COVID-19 gelernt, unter anderem auch, dass der Verlauf einer SARS-CoV-2 Infektion leider nicht vorhersehbar ist und sich ein scheinbar harmloses Krankheitsbild schlagartig zu einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung entwickeln kann. Wissenschafter der Med Uni Graz stellen nun im renommierten Journal „Antioxidants“ einen Biomarker vor, der einen besonders schweren Krankheitsverlauf vorhersagen könnte, um so Behandlungsschritte frühzeitig anzupassen.

Krankheitsverlauf als große Unbekannte

Alleine in Österreich gab es in den letzten beiden Jahren bislang knapp 14.000 Todesfälle von Menschen, die mit oder an COVID-19 verstorben sind. Was oftmals mit harmlosen Symptomen beginnt, entwickelt sich bei manchen Menschen nach fünf bis vierzehn Tagen zu einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung, wobei dieser schwere Krankheitsverlauf wirklich jeden treffen kann, Menschen mit Vorerkrankungen aber beispielsweise auch völlig gesunde junge Menschen. „Stünde in den ersten Krankheitstagen, in denen es den Patienten dem eigenen Empfinden nach noch gut geht, ein Blutwert zur Verfügung, welcher den weiteren Krankheitsverlauf prognostiziert, könnte die Behandlung gegebenenfalls angepasst und noch effektiver gestaltet werden“, fasst Harald Mangge vom Klinischen Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik der Med Uni Graz zusammen. Aus diesem Grund arbeiten er und seine Kollegen daran Biomarker zu finden, welche einen besonders schweren Krankheitsverlauf vorhersagen könnten. Eine aktuelle Publikation im renommierten Journal „Antioxidants“ zeigt nun erste Ergebnisse der Wissenschafter der Med Uni Graz.

Immunologisches Ungleichgewicht

Die lebensbedrohliche Verlaufsform von COVID-19 geht mit einem sogenannten „Entzündungssturm“ (Zytokin-Sturm) einher, wobei die Immunabwehr massiv überreagiert und beginnt, sich selbst anzugreifen. „Die initial rettende Immunreaktion gegen das Virus endet in einer Art immunologisch-entzündlichem Selbstmord“, beschreibt Harald Mangge. Dabei zerstört das außer Kontrolle geratene körpereigene Immunsystem Organsysteme, allen voran die Lunge. Wenn dieser Entzündungssturm ein bestimmtes Ausmaß überschritten hat, versagen alle medizinischen Hilfsmittel und die COVID-19-Erkrankung nimmt einen tödlichen Ausgang.

In Blutproben von Patienten der ersten und zweiten COVID-19-Welle „fahndeten“ die Grazer Forscher nach möglichen Indikatoren (Biomarkern), die bereits in der Frühphase der Erkrankung einen späteren tödlichen Verlauf anzeigen könnten. Dabei konzentrierte man sich neben bisher bekannten Laborparametern, wie beispielsweise Entzündungswerte, auf den Tryptophan-Stoffwechsel. „Tryptophan ist schon seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Forschung, da diese Aminosäure nicht zuletzt bei der Immunabwehr eine Rolle spielt“, erklärt Harald Mangge.

Möglicher Biomarker: Kynurenin im Fokus der Wissenschafter

Relevant für COVID-19 ist Kynurenin, ein zentrales Abbauprodukt von Tryptophan. Dieses Abbauprodukt wiederum beeinflusst die Tätigkeit der T-Zellen, die „Helferzellen“ des Immunsystems. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kynurenin-Blutwerte bei COVID-19-Patienten mit tödlichem Krankheitsverlauf bereits relativ früh zu Krankheitsbeginn sehr stark erhöht waren. Somit könnte Kynurenin ein neuer Biomarker sein, der zu einer frühzeitigeren und effektiveren therapeutischen Intervention Anlass gibt. Für eine therapeutische Empfehlung – hier wäre beispielsweise eine rechtzeitige hochdosierte Kortisongabe denkbar – müsste allerdings ein noch größeres Patienten-Kollektiv genauer untersucht werden“, so Harald Mangge. „Faktum ist, dass Kynurenin eine Rolle in der Immunreaktion spielt. Ob seine Erhöhung Folge oder Ursache von außergewöhnlichen Immunreaktionen ist, die zu einem tödlichen Entzündungssturm führen können, bedarf weiterer Forschung“, blickt Harald Mangge in die Zukunft.

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