Springer-Autor setzt sich kritisch mit dem Krisenmanagement in der Corona-Pandemie auseinander

Solange Politik und Gesellschaft auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene kooperativ und selbstverantwortlich gehandelt haben, war die Corona-Politik aus Sicht von Ricardo Gómez Pomeri am effektivsten und die Eingriffstiefe staatlicher Maßnahmen am geringsten. Doch Politik und Gesellschaft hätten sich am Ende zu oft in sich selbst verheddert, gegenseitig die Verantwortung zugeschoben und blockiert: „Die Bilanz ist vor allem deswegen ernüchternd, weil wir die Vorteile unserer Gesellschaftsordnung – Demokratie, Föderalismus und Selbstbestimmung – für das Krisenmanagement zu wenig in Wert gesetzt haben.“ Die Politik sei letztendlich nicht in der Lage gewesen, Orientierung zu geben, die Gesellschaft driftete auseinander und die Corona-Bekämpfung entsolidarisierte sich zunehmend. In seinem Buch Die Corona-Zumutung liefert Gómez Pomeri jetzt Erklärungen für diese Entwicklung.

Die Corona-Pandemie war eine Grenzerfahrung. Eine Zeit, in der wir alle mit einer Zumutung leben mussten: eine für die Demokratie und eine für unsere Sozialität. Sie war ein Anschlag auf unsere Art zu leben und auf das soziale Wesen des Menschen. Sie hat uns im Eiltempo und selbstlernend in die „Postsozialität“ hinein katapultiert, indem sie uns dazu zwang, unsere sozialen Beziehungen von der realen in die virtuelle Welt zu verlagern. „Für uns alle, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, war diese Zeit voller Ungewissheiten und Überraschungen. Eine Zeit, in der alle Erkenntnisse und Erklärungen vorläufig waren“, konstatiert Ricardo Gómez Pomeri. Es sei aber auf der anderen Seite auch eine Zeit gewesen, in der sich das individuelle und gesellschaftliche Lernen verdichtete und beschleunigte: „Wir alle haben in kürzester Zeit lernen müssen, mit einer unberechenbaren Herausforderung fertig zu werden und uns inmitten einer hoch dynamischen gesellschaftlichen Disruption an stets neue Umstände agil anzupassen.“ Die Pandemie stelle daher so etwas wie eine Zeitenwende dar.

Trotz aller Unsicherheiten und Wissensdefizite konnten die politisch Verantwortlichen nicht in einem aporetischen Zustand verharren, so der Autor weiter: „Sie mussten entscheiden und handeln, und eine der schwierigsten Herausforderung meistern, die es in der Politik gibt: In einer Krisensituation in kürzester Zeit das Verhalten der Menschen effektiv steuern.“ Die naheliegende Erwartung an uns alle war, dass wir im Sinne der Pandemiebekämpfung uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber verantwortlich handeln, den staatlichen Vorgaben und Appellen folgen, und dass wir genügend Ausdauer aufbringen, um die Zumutung über eine lange Strecke halbwegs zu ertragen. Wie gut ist all das der Politik und uns gelungen? Welchen Weg hat Deutschland eingeschlagen, um die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen? Waren das Ausmaß und die Tiefe der Einschränkungen notwendig und standen sie im Einklang mit unseren Werten und unserer institutionellen Verfasstheit? Gab es plausible Alternativen zur praktizierten Corona-Politik? Liegt tatsächlich ein „Staats- und Politikversagen“ vor? Hat der Föderalismus das Krisenmanagement erschwert, und wenn ja, warum? Was können Politik und Gesellschaft für die Zukunft lernen? Diese Fragen sind Gegenstand von Gómez Pomeris Buch. Es geht ihm aber nicht darum, Richtiges von Falschem zu unterscheiden, und auch nicht darum, eindeutige Antworten zu geben. Sein Buch ist vielmehr der Versuch, facettenreiches Handeln vielfältiger politischer und gesellschaftlicher Akteure vor dem Hintergrund einer komplexen gesellschaftlichen Disruption begreifbar zu machen.
Da das Buch eine zeitgenössische Beobachtung wiedergibt, deren empirische Grundlagen noch oberflächig, vorläufig und zum Teil feuilletonistisch sind, ist es letztendlich vor allem ein Angebot, über die hier aufgeworfenen Fragen weiter zu forschen. 

Ricardo Gómez Pomeri
Die Corona-Zumutung
2022, 302 S.
Softcover € 32,99 (D) | € 33,92 (A) | sFr 36.50 (CH)
ISBN 978-3-658-38434-0
Auch als eBook verfügbar 

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