Karl Schwarzenberg: Beisetzung beim Schloss seiner Kindheit

Warum Europa Putin trotzdem ein Denkmal setzen sollte

Als „Forst- und Gastwirt“ bezeichnete sich Karl Schwarzenberg – auch in einem „Krone“-Interview vor vielen Jahren – immer wieder ganz kokett. Als Träger eines großen Namens der österreichischen Geschichte. Seine Familie verfügt bis heute über eine der größten Waldbesitzungen in Österreich (aber nicht nur hier) und mit Gastwirt bezeichnete er pointiert das Traditionshotel Palais Schwarzenberg in Wien. Nach einem Staatsakt im Veitsdom von Prag wird Karl Schwarzenberg am Sonntag, den 10. Dezember, im engsten Familienkreis auf Schloss Orlik (Worlik) beigesetzt. Auf Halbmast weht die Familienfahne auf Schloss Murau.

Er verstand sich in den Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs als Böhme und verbrachte dann auch in Tschechien viel Zeit auf seinen Schlössern, die mit Vaclav Havels Aufstieg zum Staatspräsidenten und dem Beginn der Demokratie wieder in den Familienbesitz gelangten.

Karl Schwarzenberg hatte aber auch starke steirische Wurzeln. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs im Jahre 1989 war Schloss Murau sogar so etwas wie der Familiensitz des Adelgeschlechts. „Älter werden ist nichts für Sissis“, sagte der 85-Jährige in einem seiner letzten Interviews in der Wochenzeitung „Falter“ (Nr. 27/23). Im Jahre 2015 verhängte Russlands Präsident Wladimir Putin ein Einreiseverbot gegen den ehemaligen tschechischen Außenminister mit Schweizer Pass und österreichischen Wurzeln. Schwarzenberg engagierte sich Zeit seines Lebens für Menschenrechte und Demokratie. Er unterstützte Dissidenten im Kampf gegen den Kommunismus, half bei der Gründung kritischer Medien in Prag und Wien mit (Trend, Profil, Respekt). Nach 1989 prägte er zuerst an der Seite Vaclav Havels, dann als Außenminister und Chef der Partei Top 09 die Neue Tschechische Republik.

Im Folgenden Auszüge, Gedanken und Überlegungen Schwarzenbergs aus dem „Falter“-Interview Barbara Tóth.

Findet Europa in diesem Krieg (Ukraine) zu sich?

Schwarzenberg: ... in Straßburg sollten vor dem Europaparlament eigentlich zwei Statuen stehen. Denen, denen wir die EU verdanken. Jene von Adolf Hitler und jene von Stalin. Ohne die beiden wäre die EU nie zustande gekommen. Jetzt ist meine Hoffnung, dass Wladimir Putin sie zur weiteren Vervollkommnung führt … Wenn er das zustande bringt, ist es eine Statue wert.

Was fehlt Europa auf dem Weg dorthin?

Es geht um die politische Ebene. Es ist doch lächerlich, dass wir in Brüssel entscheiden, was ein Pro-Natura-Gebiet sein soll. Oder wie der köstliche Käse aus der Tatra auf Polnisch oder Slowakisch zu heißen hat. Aber wir haben keine gemeinsame Außen-, Sicherheits-, Finanz- und Sozialpolitik.

Und keine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Eine Festung Europa. Ist das die Zukunft?

Nein, aber es ist nicht zu vermeiden. Denn wenn wir eine größere Immigration regellos passieren lassen, führt das zu Revolution und Massaker.

… Nach der Generation großer europäischer Politiker … erleben wir einen Verfall der politischen Qualität in Europa.

Wie sehen Sie die Zukunft der Ukraine? Als neutral, als EU – und/oder Nato-Mitglied?

Hoffentlich letzteres. Weil neutral sein bedeutet ungeschützt sein. Das funktioniert nur, wenn sich alle Beteiligten daran halten. So wie mit der Schweiz nach den Napoleonischen Kriegen oder Österreich nach 1955.
… Putin hat die feste Absicht, die Ukraine an Russland anzuschließen. Da hat die Neutralität keinen Sinn … Es gibt keinen Frieden, solange ein Staat den anderen okkupieren will.

Also kalter Krieg?

Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass Ruhe gewesen wäre, wenn man nur der Okkupation der Krim 2014 zugestimmt hätte. Nein. Russland wird das eine verdauen und zum nächsten greifen. Zuerst die Krim, dann die Ost-Ukrainischen Gebiete, dann die gesamte Ukraine. Und wenn es die gesamte Ukraine gekriegt hätte, dann Gnade Gott Polen.

Was haben da die Westeuropäer unterschätzt?

Weil sie das Regime nicht erlebt haben, weil sie sich wenig mit der russischen Geschichte beschäftigt haben und sich viel lieber über ihre russischen Illusionen unterhalten haben.

Karl Schwarzenberg wird dann auch zur politischen Situation in Österreich gefragt.


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Seit Kurz imitiert die ÖVP die FPÖ. Verliert Österreich seine konservative Volkspartei?

Schwarzenberg: Warum soll ich sie wählen? Eine inhaltslose Volkspartei? … Man wählt den Schmied und nicht den Schmiedl. Nicht eine Partei, die den eigenen Grundsätzen untreu wird … Die ÖVP war einmal eigentlich eine Partei, die auf christlichen Werten aufbaut. Die veralten nicht. Die bleiben. Nur hat man sich nicht darum gekümmert. Man verwandelte sich zu einer reinen Wirtschaftspartei. Der Beschluss, den Kindern von hier arbeitenden Menschen zu zahlen aufzuhören, was ihnen gebührt, war dafür typisch. So handelt eine christliche Partei nicht. Wirkliche ÖVP-Politiker wie ein Leopold Figl oder ein Josef Krainer oder auch Wolfgang Schüssel hätten das nicht gemacht.

In den Umfragen liegt die FPÖ voran. Ein Kanzler Herbert Kickl ist kein Phantom mehr. Hält das Österreichs Demokratie aus?

Ich hoffe, aber wir werden uns wundern.

Karl Schwarzenberg kommt dann im Interview auch noch auf die Situation in Ungarn, der Slowakei und Serbien zu sprechen.

Wir haben es noch immer nicht zustande gebracht, die sogenannten Westbalkanstaaten zu integrieren. Das kann uns einmal sehr teuer kommen.

Tschechien war das erste Land, das Waffen an die Ukraine geliefert hat und in Relation zur Bevölkerung mehr Vertriebene aufgenommen hat als alle anderen EU-Länder. Warum?

Weil wir wissen, gegen wen die Ukrainer kämpfen. Weil wir wissen, dass, wenn die Ukraine verliert, wir sehr bald selber dran wären.

Was kann man von den Osteuropäern lernen?

Solange nicht bei einem selber etwas brennt, lernt man nicht. Leider.

„Ich wurde dazu erzogen, zu dienen. Mit einem großen Namen und einem nimmer noch ganz netten Vermögen muss man Verantwortung zeigen und sich dem würdig erweisen. Das haben mir meine Eltern so beigebracht“, sagt Schwarzenberg, wenn man ihn fragt: Was ist der Sinn des Lebens? In Österreich engagierte er sich in den 1960er-Jahren in der ÖVP, 1984 schlug ihn der damalige Kanzler Bruno Kreisky als Präsidenten der Internationalen Helsinki-Förderation für Menschenrechte vor. Nach der „samtenen Revolution“ 1989 gelang ihm in der Tschechischen Republik, was ihm in Österreich verwehrt blieb: eine Karriere als aktiver Politiker.


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