103-jähriger Bugatti brettert 100 km/h am Red Bull Ring

KLIPP bei einer abwechslungsreichen Tagesetappe der Ennstal-Classic

Entgegen dem Namen Ennstal-Classic, mache ich mich von Graz aus in Richtung Südwesten über die Pack auf den Weg nach Taggenbrunn in Kärnten. Dort beim unterhalb der gleichnamigen Burg gelegenen Weingut machen die Teilnehmer ihre Mittagspause.

Und es ist auch die Startnummer 1, die zwischen den Weinreben, vorbei an der riesigen Skulptur der Zeitgöttin von André Heller, einfährt. Der Bugatti Typ 13 Brescia ist ein Baujahr 1922, das älteste Fahrzeug der Rallye – mit sage und schreibe 103 Jahre auf dem Buckel. Die Ordner am Parkplatz weisen die Fahrzeuge ein. Monika Rothlauf legt den Rückwärtsgang ein, reversiert den Oldie souverän und parkt direkt vor uns ein.

Hören Sie mit, wie ich einen spannenden Tag bei der Ennstal-Classic erlebt habe:

Regenkluft gehört zur Ausrüstung

Sie und ihr Beifahrer Jan Reblin haben beide noch die Regenkluft an. Denn auch wenn jetzt die Sonne scheint: Auf der Fahrt vom Start in Gröbming über die Radstätdter Tauern, Mauterndorf hier her nach Taggenbrunn hat es „geschüttet – und wie!“, so die Münchnerin „Aber das gehört halt dazu. Und es macht einfach Spaß, damit zu fahren, wiewohl es auch sehr herausfordernd ist, wenn man immer ohne Dach fährt, quasi ganz frei, wie auf einem Motorrad.“

„Lenken“ mit dem Gaspedal

Und ihr Copilot ergänzt: „Seine 60 PS sind schwieriger zu fahren als hunderte PS starke aktuelle Boliden. Man muss ein bisschen umdenken, denn das Gaspedal ist in der Mitte und die Bremse rechts. Das Fahrzeug ist einfach wahnsinnig agil. Das heißt, dass man in den Kurven nicht nur mit dem Lenkrad, sondern auch mit dem Gaspedal das Fahrzeug lenkt. Das ist sehr interessant und spannend.“

50 Liter passen in den zylinderförmigen Tank, unmittelbar hinter den zwei Sitzen des Bugatti. „Wir werden nachher wohl tanken müssen“, höre ich Monika Rothlauf zu ihrem Beifahrer sagen. Circa 10 bis 12 Liter braucht der 103-Jährige auf 100 Kilometer.

Der legendäre Rennwagen verhalf Bugatti zum internationalen Durchbruch. Entwickelt mit dem Ziel, ein leichtes und schnelles Fahrzeug zu bauen, das auf der Straße und im Motorsport reüssieren konnte. Die Renneinsätze verliefen erfolgreich, das Modell trug dazu bei, Bugatti als führenden Hersteller von Rennfahrzeugen der damaligen Zeit zu etablieren.

900 Kilometer durch vier Bundesländer

Das ist das Programm für die 180 Teams der Ennstal-Classic. „Rund 400 Kilometer am Tag – da spürt man am Abend schon, was man geleistet hat “, schmunzelt Jan Reblin. Die „Chefin“, wie er seine Partnerin bezeichnet, ergänzt: „Wobei ich diese Leidenschaft für das Fahren, auch von langen Distanzen wie bei der Mille Miglia, wirklich schon sehr lange in mir habe. Alte Autos haben mich schon in jungen Jahren begeistert.“

Mehrmals im Jahr sind sie auf Rallyes unterwegs und machen mit den Oldtimern in Familienbesitz auch privat mit der Familie öfters Ausfahrten. Den Brescia nennen sie schon seit ca. 30 Jahren ihr Eigen. Wobei sie Preis und Anzahl der im Familienbesitz stehenden Oldtimer nicht verraten. „So ein Auto gehört zu Familie und da ist es nicht wichtig, was es wert ist.“ Oldtimer sind einfach eine Leidenschaft und „das Schöne ist, dass bei uns keines der Autos steht. Alle sind fahrtüchtig und werden auch gefahren.“

Und an wen wendet man sich, wenn bei einem 100-jährigen Boliden einmal ein Licht kaputt ist oder ein Reifen. „Da gibt es spezielle Firmen, Werkstätten, die so etwas anbieten“, so die erfahrene Pilotin. „Über die vielen Jahre in der Szene kennt man sich, weiß, wer einem helfen kann, wenn man etwas Bestimmtes braucht. Jede Marke hat seine eigenen Werkstätten – Bugatti, Jaguar oder Ferrari, auch Porsche. Wir kennen den Mechaniker gut, der zum Beispiel den Typ 13 in Schuss hält, damit wir damit auch hier bei der Ennstal-Classic gut ins Ziel kommen.

Apropos Ziel: Während die Teilnehmer nach der Mittagspause über das Klippitztörl und Weißkirchen nach Spielberg weiter fahren, nehme ich die bequemere Strecke über Neumarkt und treffe die Teilnehmer wieder am Red Bull Ring, wo eine Sonderprüfung ansteht.

Vom Restaurant in der Start-Ziel-Gerade habe ich einen guten Blick auf die Oldies, die insgesamt fünf Runden über die Rennstrecke brettern. Und ich staune nicht schlecht, als die km/h-Anzeige knapp 97 anzeigt, als der Bugatti Typ 13 Brescia an uns vorbei düst. Mit 103 Jahren am Buckel! Faszinierend.

Die schnellste Rundenzeit gilt als Referenz für die vier weiteren Runden. Für die Wertung werden jene 3 Runden mit der geringsten Abweichung zur Referenz herangezogen. Wobei eine Rundenzeit von 3:50 in keiner der gezeiteten Runden überschritten werden darf, wie ich im Rallye-Leitfaden lese.

An Drehzahl erkennen, wie schnell er fährt

Ohnehin gilt auf der gesamten Ennstal-Classic das Motto nicht der Schnellste gewinnt, sondern der „Gleichmäßigste“. Es gilt also, eine vorgegebene Durchschnittsgeschwindigkeit möglichst exakt einzuhalten. Und das NUR mit mechanischen Uhren/Stoppuhren/Armbanduhren mit Analog-Anzeige erlaubt, sprich mit Ziffern, Zeigern, Schleppzeigern. Und erlaubt ist ausschließlich eine mechanische Wegstreckenmessung.

„Wenn man das Auto gut kennt, weiß man, bei welcher Drehzahl das Auto wie schnell fährt“, so Jan Reblin. Wie viele Kilometer insgesamt hat der Bugatti in seinem 103-jährigen „Leben“ schon auf dem Buckel? „Das weiß man nicht, spielt aber bei so einem Fahrzeug auch keine Rolle.“ Bleibt nur zu wünschen, dass es noch viele weitere sein werden ...

IH

Weitere Fotos - auch von den anderen Tagesetappen - gibt's auf der offiziellen Website der Ennstal-Classic

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