Speiseröhrenatresie: wenn Nahrung nicht aufgenommen werden kann

MedUni-Forschungsteam untersucht Betroffene und wurde mit Hugo-Kunzi-Preis ausgezeichnet

Foto: Med Uni Graz

Unter einer Speiseröhrenatresie versteht man eine angeborene Fehlbildung, bei der die Speiseröhre unterbrochen ist bzw. nicht in den Magen führt. Entweder endet die Speiseröhre dabei blind oder sie ist über eine Fistel mit der Luftröhre verbunden. Neugeborene können die Nahrung dadurch nicht aufnehmen, weshalb innerhalb der ersten Lebenstage eine Operation zur Korrektur der Speiseröhre notwendig ist. Da die Lebensqualität Betroffener jedoch auch viele Jahre nach dem Eingriff häufig noch leidet, erforschen Wissenschafter:innen der Med Uni Graz, wie sich das Mikrobiom in den tiefen Atemwegen und die Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge von gesunden Menschen unterscheiden. Für ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden die Forscher:innen mit dem Hugo-Kunzi-Preis ausgezeichnet.

Die Speiseröhrenatresie, auch Ösophagusatresie genannt, entwickelt sich bereits in der frühen Schwangerschaft. Die Neugeborenen kämpfen mit Würgen und vermehrtem Speichelfluss schon beim ersten Fütterungsversuch. Innerhalb der ersten Lebenstage wird eine Operation zur Korrektur der Speiseröhre durchgeführt. Nach komplikationslosem Verlauf kann wenige Tage nach der OP mit der oralen Ernährung begonnen werden. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Holger Till der Med Uni Graz geht der Frage nach, welche Herausforderungen Betroffenen nach der Operation bevorstehen können. Konkret untersuchen sie das Mikrobiom der Atemwege und die Leistung von Herz und Lunge, um geeignete Behandlungskonzepte zu erarbeiten.

„Es ist bekannt, dass Patient:innen, bei denen eine Ösophagusatresie oder eine tracheoösophageale Fistel behandelt wurde, ein erhöhtes Risiko für langfristige Beschwerden haben. Worüber die Medizin noch wenig weiß, ist die Rolle des Mikrobioms der Atemwege sowie die Fähigkeit der Atmung und des Blutkreislaufs, den Körper mit Sauerstoff zu versorgen“, beschreibt Holger Till von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, Med Uni Graz, die Ausgangslage des Forschungsvorhabens.

Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge sowie Mikrobiom der Atemwege im Visier

Daher luden die Forscher:innen Patient:innen, die zwischen 1980 und 2010 an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie wegen einer Ösophagusatresie behandelt wurden, zu einer prospektiven klinischen Untersuchung aus Lungenfunktionstest und Spiroergometrie bei körperlicher Belastung ein, um Reaktion und Leistungsfähigkeit von Herz, Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel, aber auch Lungen- bzw. Atemvolumen und Luftflussgeschwindigkeiten zur Beurteilung der Lungenfunktion zu messen. Das Mikrobiom der Atemwege wurde mittels 16S-rRNA-Gensequenzierung – eine moderne Methode zur Analyse bakterieller Gemeinschaften – aus tief induziertem Sputum (Sekret der Atemwege) bestimmt. 19 Patient:innen mit einem Durchschnittsalter von 24 Jahren und 19 gesunde alters- und geschlechtsgleiche Kontrollpersonen wurden in die Studie einbezogen.

Defizite bei Lungenfunktion und körperlicher Leistungsfähigkeit

Die vorbelasteten Patient:innen wiesen eine signifikant geringere Muskelmasse, eine niedrigere maximale Vitalkapazität (VCmax) und eine höhere Rate an restriktiven Ventilationsstörungen auf. Die Messung von Atemgasen bei körperlicher Belastung (Spiroergometrie) ergab bei ihnen eine signifikant niedrigere Leistungskapazität und eine niedrigere VO2-Spitzenleistung. Dieser Zustand ging auch mit einer geringfügigen Veränderung des Mikrobioms der Atemwege einher. „Diese Studie ist die erste, die Parameter von Lungenfunktion und körperlicher Leistungsfähigkeit in Kombination mit einer Analyse des Mikrobioms der Atemwege mit einem Follow-up von durchschnittlich 24 Jahren bei Speiseröhrenatresie-Patient:innen vorstellt“, beschreibt Georg Singer, einer der beteiligten Forscher, die wegweisende Forschung. „Für genaue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem Krankheitsverlauf in der frühen Kindheit und den späteren pulmonalen Beeinträchtigungen braucht es Langzeitstudien solcher Art, um mögliche Wechselwirkungen zwischen Veränderungen des Mikrobioms der Atemwege und einer beeinträchtigten Lungenfunktion der Betroffenen aufzudecken“, so das Fazit des Forschungsteams.

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