ZEITZEUGEN - Der 100-jährige Johann Aichhofer

Sein Funkerrucksack rettete ihm das Leben

Wenn kürzlich bei einem Dank-Gottesdienst seine sechs Kinder, 13 Enkelkinder, 22 Urenkelkinder in der beschaulichen Kapelle in Unterrossegg bei Lannach mit Anhang 63 Familienangehörige dabei sind, dann muss Johann Aichhofer viel in seinem Leben richtig gemacht haben.

Das Lebensmotto des ehemaligen Landwirts, Bürgermeisters und ÖVP-Landtagsabgeordneten: „Bei den Menschen sein.“ Geboren wurde er am Christtag, dem 25. Dezember 1924, als lediges Kind. Für seine Mutter, eine mittellose Bauernmagd, ein schweres Schicksal. Eine Nachbarin erbarmte sich des Neugeborenen –  „Diesen Juden kann man nicht so lange liegen lassen“ – und hat das Baby schon am nächsten Tag, dem Stephanitag, zur Taufe in die Kirche nach Stainz mitgenommen. Als „Juden“ bezeichnete man am Land damals Ungetaufte. Und ein lediges Kind zu taufen, war fast ein „kleines Verbrechen“ in dieser Zeit. „Meine Mutter musste damals dafür 30 Tage bei der Nachbarin abarbeiten“, erfährt man aus der niedergeschriebenen Biografie des Jubilars.

Den Einmarsch Adolf Hitlers erlebte er als 14-Jähriger. Auch seine Großeltern jubelten. „Denn mit dem Hitler wurden ja den Bauern die Schulden erlassen“, erinnert er sich. „Gott sei Dank wird es jetzt besser.“ Ein großer Irrtum.

„Das sogenannte Jungvolk, also wir“, so Johann Aichhofer, „wurde beim Übergang zum NS-Regime im Jahr 1938 zur Hitlerjugend. Da bist du gar nicht gefragt worden. Kleinkaliberschießen, Gruppenwanderungen, Förderung  der Kameradschaft – all das hat uns Jugendlichen gefallen. Ich bin zur Gruppe Stainz gekommen.“ Weißes Hemd, kurze Hose und ein Selbstbinder, also eine schwarze Krawatte – das war sozusagen die Uniform. „Ich hab‘ für die fünf Schilling, die das gekostet hat, meinen kleinen Hund verkauft.“ Zum Kriegsbeginn hin gab es immer mehr Schießübungen.

„Wollte Pilot werden“

Beim „Woaz“-Anbau (Kukuruz/Mais) flogen über den Acker hinweg die Sturzkampfflugzeuge, die am Thalerhof stationiert waren. „Und das hat mir so gefallen. Ich meldete mich freiwillig zu den Fliegern, ohne dass meine Mutter davon wusste.“ Das war im Jahr 1941. Zur Flieger-Tauglichkeitsprüfung ging es nach Graz. „Um acht Uhr haben wir uns nackt ausgezogen, und erst um 15 Uhr nachmittags durften wir uns wieder anziehen.“ Den Aufnahmetest bestand er mit einem kleinen Schwindel als Bester.

Von einem Freund hatte er erfahren, was bei der Prüfung passiert. Im Prüfungsraum wurde der Sauerstoff verringert – „bis du zusammengesackt bist“ – und dann ist er wieder zugeführt worden. „So wurde gemessen, wie viel Wörter oder Zeilen du schreiben kannst.“ Das war dann das Testergebnis. „Ich hab’ beim Hineingehen schon den Atem angehalten und schrieb die meisten Sätze. Und so gesehen bin ich dann bis auf 2.000 Meter Höhe gekommen. Mich haben sie dann für zwölf Jahre Flugausbildung verpflichtet.“  Doch die Mutter und der Bürgermeister von Rossegg waren dagegen. So kam er in die Landwirtschaftsfachschule nach Graz.

Im November 1942 musste Johann Aichhofer dann doch zur Wehrmacht. Weil er ein Instrument spielte und gut singen konnte, wurde er dort zum Funker ausgebildet. Und damit begann seine lange Reise ins Ungewisse. „Als Regimentsfunker bin ich von Europa bis nach Russland im Einsatz gewesen.“ Und er erlebte die Gräuel des Krieges an vorderster Front. Allein an einem Tag fielen tausende Kameraden auf dem Schlachtfeld. Er überlebte einen Granaten-Angriff nur dank seines Funkerrucksackes. „Ich wurde völlig verschüttet, hielt mir die Hände vors Gesicht und hatte damit mehr Sauerstoff in der Grube, in die ich gefallen war.“ Seine Füße ragten noch heraus, und so konnten ihn seine Kameraden ausbuddeln.

Chaos bei Kriegsende

Das war am 9. Mai, da war Johann Aichhofer in Oberschlesien. Die Truppe hatte sich völlig aufgelöst. „Gruppenweise und auf eigene Faust versuchten wir, nach Süden in Richtung Österreich zu kommen – in die rettende Zone der Amerikaner. In der Gegend von Brünn habe ich mich dann mutterseelenallein, immer nur in der Nacht, bis nach Linz durchgeschlagen. Da hat mir dann geholfen, dass ich mich im Wald ausgekannt und orientieren hab‘ können. Ich hab‘ tagelang nur von Hasenklee, Schwarzbeerkräutl und Fichtenzapfen gelebt.“

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