Das war IHR Meisterstück

Gratulation an das Duo Ilzer und Schicker. Doch: Profi-Fußball ist ein Wanderzirkus.

Wenn sich im Profi-Fußball der gewünschte Erfolg nicht einstellt, ist es üblich, dass sich eine Vereinsführung vom Trainer(-team) und dem Sportdirektor verabschiedet. Ganz egal, wie prominent, erfahren oder nicht. Der Trainertausch ist die einzig mögliche rasche Maßnahme, das gängige Rezept. Hilft aber auch nur hin und wieder. Sich von dem einen oder anderen „nicht pflegeleichten“ Spieler zu trennen oder gar von einem größeren Teil des Kaders – geht nicht.

Es könnte kein besseres Beispiel geben – gerade auch jetzt – als den Vorzeigeverein Bayern München. Julian Nagelsmann schaffte zwar mit Bayern die Meisterschaft, aber nicht die Champions League – er musste gehen. Sein Nachfolger Thomas Tuchel blieb überhaupt ohne Titel – auch er muss gehen. Bei Bayern sind Trainer zum maximalen Erfolg verdammt. Die Liste der „Gestrauchelten“ ist lang: Josep Guardiola (2013 bis 2016), Carlo Ancelotti (2016 bis 2017), Jupp Heynckes (2017 bis 2018), Niko Kovac (2018 bis 2019).

Guardiola suchte sich dann Manchester City aus und traf die richtige Wahl. Ancelotti wiederum zeigt bei Real Madrid, wie erfolgreich er ist, wenn man ihn lässt. Und mit einer „Notlösung“, dem Co-Trainer Hansi Flick als Nobody, erlebte Bayern München seine größten Erfolge überhaupt: nämlich zwei Mal Deutscher Meister (2020, 2021), DFB-Pokal-Sieger (2020), DFL-Supercup-Sieger (2020), UEFA-Supercup-Sieger (2020), FIFA-Klub-Weltmeister (2020) sowie Champions-League-Sieger (2020). Flick scheiterte dann bekanntlich aber als deutscher Teamchef. So ist das im Fußball.

Damit nach Graz in die europäische Fußball-Provinz. Da gelingt mit dem Meistertitel zwei „Fast-Nobodys“ im Profi-Fußball ihr Meisterstück. Und damit der Beweis: Es braucht nicht immer sogenannte „erfahrene, prominente Vertreter ihrer Zunft“, sondern es kann auch über Teamarbeit funktionieren.

Sportdirektor Andreas Schicker, 37 und Christian Ilzer, 46, waren vor ihrem Engagement bei Sturm, selbst national gesehen, nicht erfolgreich. Schicker zerstörte seine Karriere durch einen selbst verschuldeten Böller-Unfall. Seine linke Hand musste amputiert werden. Er durfte noch bei Wiener Neustadt spielen, wurde dort Sportchef und nahm dann die Chance wahr, als Scout im Jahr 2018 bei Sturm anzudocken. Nicht sein Name, sondern sein Ehrgeiz – er war „hungrig“ nach dem Erfolg – brachte ihn in die Funktion des Sportdirektors bei Sturm.

Nicht leichter hatte es Christian Ilzer. Der es nicht einmal zum Profi-Fußballer geschafft hatte, nur über mehrere Hürden zum Bundesliga-Trainerlehrgang und dann dort die Lizenz. Noch dazu auf dem zweiten Bildungsweg, neben seinem Beruf als Elektrotechniker. Beim TSV Hartberg zeigte er erstmals als Trainer auf. Mit ihm gelang dem Klub der Aufstieg in die Bundesliga.

Mit dem Engagement von Ilzer und Schicker bei Sturm begann für die Blackies eine neue, erfolgreiche Ära. Man orientierte sich an dem, was die Bullen aus Salzburg stark machte und versuchte, einen Offensiv-Fußball zu spielen – wie seinerzeit die verstorbene Trainer-Legende Ivica Osim. Dazu holte man sich von Red Bull Salzburg gut ausgebildete, junge Spieler, denen dort der Sprung in die Meistermannschaft nicht gelungen war. Die bekanntesten Namen: Alexander Prass, Jusuf Gazibegović und David Affengruber. Die waren besonders „hungrig“ und wollten ihr Können und ihr Potential bei Sturm richtig beweisen. Was auch gelang.

Fußball ist wie das Zusammensetzen eines Puzzles. Und Christian Ilzer und Andreas Schicker ist das meisterlich gelungen. Zwei Cup-Siege in Folge und jetzt die Meisterschaft – Hut ab! Damit haben sie die Bullen aus Salzburg nicht nur gezähmt, sondern eine Ära beendet. Noch dazu, wo Red Bull Salzburg mit dem Klub pro Saison rund 500 Millionen Euro (Transfers und Spielbetrieb) umsetzt, Sturm Graz hingegen ein Zehntel davon.

Die Sturm-Fans schweben seit Sonntag (19. Mai) mit dem vierten Meistertitel und dem Double auf Wolke 7. Es kommen aber auch wieder andere Zeiten und darauf müssen sie sich einstellen. Denn Fußball ist ein Wanderzirkus und auch das Duo Ilzer-Schicker wird den Verein hinter sich lassen. Früher oder später.

PS: Egal, ob Schwarz, Gelb oder Rosa kickt und Tore schießt. Zumindest im Augenblick des Jubels ist die Freude der Fans mit den Spielern „grenzenlos“. Schon mal ein Anfang.

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