Die Ziach oder Quetschn: heute kultig und cool

Jeder weiß, was gemeint ist – die steirische Knopferlharmonika. Eine „Stimmungskanone“

Sie passt in ein kleines Kofferl und ihr unverwechselbarer Klang bringt Millionen Menschen rund um den Globus zum Tanzen, Mitsingen, Lachen, aber auch zum Weinen, weil ihre Melodien herzberührend klingen. Sie allein genügt, um Tausende in Stimmung zu bringen.

„Es war irgendwo im Hafen von Sydney“, schildert Stefan Maier ein Erlebnis. „Ich bin gejoggt und ein Straßenmusiker spielt    so recht und schlecht auf seiner Harmonika, deren Klang die Touristen, die von den Kreuzfahrtschiffen kommen, in Scharen zu ihm hinlockt. Sie lachen, kichern und klatschen begeistert und der Hut vor dem deutschprachigen Musik-Vagabunden füllt sich mit Banknoten und Münzen.“

Ortswechsel. „I bin a Steirerbua und hob’ a Kernnatur“, grölt ausgelassen eine Gruppe von Gästen in einem Gasthaus irgendwo in Österreich und schunkelt dabei – aufgeheizt von einem unverwechselbaren „Einmann-Orchester“.

Eine riesige Bühne. Dort allein im Scheinwerferlicht stehend der Megastar der deutschsprachigen Schlagermusik – Andreas Gabalier. Er, kein Meister auf der Quetschn, die er umgehängt hat und wie einen Blasebalg vor sich auf- und zuzieht. Der „Steirerbua“ versetzt seine tausenden Fans    in Euphorie, sie singen und klatschen mit.

„Ich war von der ersten Stunde begeistert, dass ich Harmonika lernen darf. Da war ich nicht einmal noch fünf“, erinnert sich der Mario von den Pagger Buam zurück. Seit 29 Jahren spielt er die steirische Knöpferlharmonika. „Und genauso gern heute wie als Kind.“ Nach der Musikschule ging’s ins Musik-Gymnasium und dann ins Landeskonservatorium. Und was macht die Faszination am Anfang aus? „Du brauchst nur drauf drücken auf die Knöpfe und schon klingt ein schöner Dreiklang, ein Akkord. Und es klingt gut. Ganz anders bei einem Blas- oder Streichinstrument, wo es viel Übung braucht, damit überhaupt ein Ton heraus kommt oder dieser auch sauber klingt.“

Das Geheimnis der Steirischen: Schon nach einem oder zwei Monaten kann man einfache Stücke zum Besten geben und damit in der Familie bei den Eltern für Rührung sorgen. „Das erste Stück ist meist die Ennstaler Polka, die auch ganz nett klingt“, so der Mario von den Pagger Buam. „Mit der Bass-Begleitung – da glaubst du, es spielt eine kleine Combo, wenn du nur von draußen zuhörst“, erklärt Stefan Maier vom Musikhaus in Bärnbach das Phänomen. Er verkauft mehrere hundert Harmonikas im Jahr. Im Schnitt jeden Tag eine.

Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Die erste große Herausforderung ist die Koordination zwischen der Melodie und der Bass-Begleitung beim Spielen. Die linke Hand spielt die Melodie und die rechte Hand die Bass-Begleitung. Also was ganz anderes. Diese Koordination zu erlernen ist nicht einfach, aber ein gutes Training auch fürs Gehirn. Kinder tun sich da leichter als Erwachsene, weil sie immer wieder und immer wieder üben, bis sie das beherrschen. Da fehlt den Erwachsenen oft die Geduld. Hinzu kommt, dass man sein Instrument ziehen – daher auch der Name Ziach – und zusammen-
drücken muss („Quetschn“). Also alles passiert gleichzeitig. Im Prinzip ist das wie bei der Mundharmonika. Du saugst an oder blast rein.

„Als ich gelernt habe und jung war, da war die Steirische noch kein attraktives Instrument, war eher uncool. Cooler war die Gitarre. Heute ist das ganz anders.“ Und daher ist auch die Qualität, mit der die Jungen auf der Quetschn spielen, gewaltig gestiegen. Aber ein Phänomen ist geblieben: Man muss nicht unbedingt Noten lesen können, um die Steirische zu beherrschen. „Ein großer Teil kennt keine Noten, spielt daher auch nicht nach Noten“, bemerkt Stefan Maier. Gelernt wird nach der sogenannten Griff-Schrift. Sie ist eine Notationshilfe. Legt man eben die drei Finger auf der Tastatur nebeneinander, so hat man einen Dreiklang. Und mit einem Griff kann man dann unterschiedliche Akkorde spielen.

Dieser Vorteil hat aber auch seine Nachteile. Die steirische Harmonika ist nach der diatonischen Tonleiter gestimmt. Die einfachsten Tastaturen auf ihr haben gar keine Moll-Töne. Aber natürlich kann man – und das ist wiederum der Vorteil – sich zusätzliche Tasten einbauen lassen. Jeder nach seinem Wunsch. Sodass dann all das gespielt werden kann, was man will. Je nach Lehrer und Schule gibt’s also verschiedene Belegungen auf der Tastatur. Die gängigste Belegung ist in B-Dur. Warum das so ist: Die Lehrer haben schon immer Einfluss auf die Schüler genommen und damit hat sich das so entwickelt. „Das ist zum einen gut, aber eigentlich auch eine kleine Katastrophe“, so Stefan Maier. „Ein Akkordeon oder ein Klavier – das kaufst du dir und dann spielst du darauf für Jahre. Bei der Quetschn ist es so, dass viele Künstler, viele Schüler zumindest zwei oder drei Instrumente dann im Laufe der Jahre zu Hause haben. Weil jede eben eine spezielle Tastatur hat bzw. die Tastatur mit speziellen Tönen belegt ist.“ Er nennt das Beispiel eines obersteirischen Fans, der sich im Vorjahr 12 Instrumente gekauft hat und jedes klingt anders. Er spielt sie aber auch sehr oft. Ab 4.000 Euro aufwärts geht’s los im Harmonika-Geschäft. Aber auch Geräte mit 15.000 Euro und mehr sind keine Seltenheit.

Längst hat die Steirische auch Einzug in den Jazz, Austropop gefunden, ist nicht mehr nur auf die traditionelle Volksmusik beschränkt. Ein Hubert von Goisern oder ein Herbert Pixner, die ihren eigenen Weg gegangen sind und einen neuen Stil kreiert haben, werden bei ihren Auftritten gefeiert. Andreas Gabalier wiederum hat für einen echten Hype gesorgt. „Ihm gebührt dafür das Verdienstkreuz“, obwohl er selbst gar nicht wirklich spielen kann.

Heimatgefühl

Und da passt zum Abschluss auch eine Geschichte hinein, die es gegeben hat: Eine Frau kauft eine Quetschn und sagt, sie möchte was Besonderes. Als ihr der bekannte Trompeter Toni Maier in seinem Musikhaus in Bärnbach/Rosental dann seine beste und teuerste zeigt, die er im Geschäft hat, bittet er die Kundin, diese auszuprobieren. Sie sagt: „Nein, danke“, zieht ein wenig daran und entlockt der Quetschn einige Töne und freut sich darüber. „Die nehme ich. Wissen Sie, ich kann nicht spielen. Ich lebe in Australien. Und wenn ich die Töne dann dort höre, dann klingt das für mich sofort nach Heimat. Und das ist wunderschön.“

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