Eine Mähr: Grüne überrascht und Opfer

Werner Kogler gab sich im ersten Abdruck völlig überrascht, sah aber die politische Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers und der Regierung voll gegeben. Foto: BKA/Christopher Dunker

Aus den Medien war zu erfahren, dass die ÖVP schon im Vorfeld über drohende Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit der Inseratenaffäre und den manipulierten veröffentlichten Umfragen informiert war. Möglicherweise nicht ganz exakt an welchen Adressen diese stattfinden werden, aber dass sie kommen – das war ersichtlich. Die Betroffenen konnten sich also vorbereiten und haben das dann auch getan oder versucht, wie ja jetzt die Festnahme der Meinungsforscherin zeigt.

Hinterfragenswert ist aber auch das Wissen der Grünen, die sich hier gerne als „völlig überrascht und Opfer“ darstellen. Als Koalitionspartner, der von den Ereignissen und den Vorwürfen gegenüber Kurz und Co. völlig überrascht worden sei. Das ist, wenn überhaupt, nur die halbe Wahrheit.

Wie die ÖVP von den Hausdurchsuchungen bereits durch ihre Informanten im Justiz- und Innenministerium gewarnt worden ist, so waren auch die Grünen vorgewarnt. Das Woher ist leicht erklärbar: Justizministerin Alma Zadic musste ja von den bevorstehenden Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit dem 104 Seiten umfassenden Bericht der Korruptionsstaatsanwaltschaft informiert werden. Dies erfolgte natürlich schon Tage vorher, braucht doch eine so groß angelegte Razzia – noch dazu erstmals in der Geschichte der Republik auch im Bundeskanzleramt – umfangreichste Vorarbeiten zwischen Justiz- und Innenministerium. Daher hat Vizekanzler Werner Kogler schon vorher – informell natürlich und offiziell wird er das nie zugeben – darüber gewusst, was auf ihn und die Grünen zukommt. Dafür wurde eine nach außen hin „glaubwürdige Inszenierung“ gewählt. Kogler gab sich im ersten Abdruck völlig überrascht, sah aber die politische Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers und der Regierung voll gegeben. Ein sofortiger „Misstrauensaufschrei gegenüber Kurz“ hätte für die ÖVP-Anhängerschaft als schäbiger Verrat gegolten. Daher ließen die Grünen dann knapp 24 Stunden verstreichen, um am nächsten Morgen sehr wohl die Handlungsfähigkeit des Kanzlers in Frage zu stellen. Kurz sollte durch eine „untadelige Persönlichkeit“ ersetzt werden, erst dann wolle man die Koalition fortführen.

Damit konnten die Grünen das Gesetz des Handelns an sich ziehen und die ÖVP unter Druck setzen. Mit der Lösung, dass Kurz Klubobmann bleibt (und auch Parteichef), haben die Grünen ihre vorher stark geschwächte Rolle in der Koalition entscheidend und nachhaltig gestärkt. Die Koalition besteht also weiter, die Grünen können damit wichtige Projekte, wie eben die Maßnahmen für den Klimaschutz, die Steuerreform usw. in der Regierung umsetzen. Auch ihr verloren gegangenes Vertrauen bei den Grün- oder Wechsel-Wählern konnten sie somit zum Teil wieder zurückerlangen.

Was aber noch entscheidender ist: Die Grünen haben nun in der Koalition das Gesetz des Handelns praktisch in der Hand. Es ist offensichtlich, dass man, salopp gesagt, einander in der Regierung nicht mehr traut. Da und dort wird es sogar Hass geben und beide Regierungspartner warten auf den passenden Absprungmoment. Die Türkisen mit ihrem angeschlagenen Klubobmann und Parteichef Sebastian Kurz müssen befürchten, dass noch weitere explosive Chats im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft den mühsam gekitteten, aber auf Dauer brüchigen Koalitionsfrieden in Frage stellen werden. Und erst dann wird es Neuwahlen geben.

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