„Friede“ – nur durch Gleichgewicht des Schreckens

Es kostet Kraft und Durchhaltevermögen, sich die vielen Dokumentationen anzusehen, die anlässlich des Jahrestages des Hamas-Massakers mit mehr als 1000 Todesopfern auf israelischer Seite über die TV-Schirme flimmerten. Noch dazu zu mitternächtlicher Stunde – vor dem Schlafengehen.
Sie zeigten im Zeitraffer die Gräuel, das unsägliche Leid der Opfer und ihrer Familien auf beiden Seiten. Über das ganze Jahr hinweg. Der Überfall, das Vorgehen der Hamas-Kämpfer war ein Morden, das im jahrzehntelangen Konflikt nur ein Ziel verfolgt: Möglichst viele Israelis wahllos zu töten, zu quälen und damit dem Staat Israel zu zeigen – ihr könnt eure Bürger, wenn wir es wollen, nicht wirklich schützen.
Jene, die überlebten, auch als Geisel, waren ein „Zufallsprodukt“. Die Straße des Todes mit den zerschossenen Autos und herumliegenden Leichen, die Videos, die Panik der Opfer mit Original-Ton sind Bilder, die man nicht mehr los wird.

„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ – das war die Vergeltung und Reaktion von Israel. Netanyahu und sein Kriegskabinett machten aus der Zwei-Millionen-Stadt Gaza eine Ruinenlandschaft. Mit unzähligen blutigen Angriffen, Bomben und einer Bodenoffensive gibt es bis jetzt 40.000 Tote. Darunter tausende Kinder.
Es ist offenkundig, dass die Hamas die Bevölkerung, also die eigenen Landsleute, als Schutzschild missbrauchten. Die Hamas hat in den letzten 20 Jahren in Gaza ein riesiges unterirdisches, militärisches Netzwerk und Abwehrzentrum aufgebaut. Israel nahm und nimmt in seiner Vergeltung keine Rücksicht auf diese teuflische Situation. Und ja, es wurde dadurch das Völkerrecht verletzt. Aber das passiert leider in jedem Krieg.
Das Vergehen lässt sich leicht veranschaulichen. Man stelle sich vor, israelische Soldaten stoßen auf eine Hamas-Truppe, die Kinder und Frauen als Geisel in ihrer Macht haben und diesen die Waffe an den Kopf setzen. Den Ausgang kann sich jeder selbst ausmalen. Ich denke nicht, dass die Soldaten den Tod aller Kinder einfach in Kauf nehmen würden. Da sind Luftschläge und Bomben auf Häuser schon etwas ganz anderes. Da weiß man auch, dass sich Menschen und möglicherweise auch Terroristen darin aufhalten, aber sie haben keine Gesichter.
Diese Opfer und deren Leidensweg mit ihren Familien sah man dann in den Dokumentationen. Leider gilt die tröstliche Wahrheit nicht: Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Der gesäte Hass wird auf Generationen bestehen bleiben. Nur ein Gleichgewicht des Schreckens kann diesen Eindämmen und eine Art „Waffenstillstand“ oder Frieden herbeiführen. Das zeigt sich am Beispiel von Jerusalem, der heiligen Stadt für die Moslems und Christen. Aus Furcht vor der Zerstörung der jeweiligen heiligen Stätten blieben diese bis heute von gegenseitigen selbstmörderischen Attacken verschont. Weil in Jerusalem auch Juden und Palästinenser auf engstem Raum zusammen leben (müssen). So gesehen das letzte Bollwerk der Vernunft.
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