„Halte die Impfpflicht für falsch“

Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr in ORF-TV-Pressestunde ließ „Kleine-Zeitung“-Chef Hubert Patterer „alt aussehen“

Die Grazer Bürgermeisterin plädiert in der gestrigen ORF-TV-Pressestunde für die Corona-Impfung, hält aber die Impfpflicht für falsch. Elke Kahr, die selbst drei mal geimpft ist: „Zwang und Strafe sind der falsche Weg. Auch wir in Graz unternehmen große Anstrengungen, die Menschen vom Nutzen der Impfung zu überzeugen.“

Es war eine mehrfache Premiere in der ORF-Pressestunde. Es war überhaupt der erste Auftritt eines Grazer Stadtoberhaupts in einer ORF-Pressestunde. Elke Kahr ist aber auch die erste Bürgermeisterin in der Geschichte von Graz. Und noch nie war eine Vertreterin der KPÖ Gast in einer Pressestunde. Fragesteller waren Claudia Dannhauser und Hubert Patterer. Beide ließ die wenig TV-erprobte Grazer Neo-Bürgermeisterin „alt aussehen“. Deren Frageschema konnte ihren Gast nicht aus der Ruhe bringen.

Kleine“-Chef Hubert Patterer wollte besonders angriffig wirken und unterstellte ihr, sie sei vom Wahlerfolg am 26. September sogar geschockt gewesen. Kahr konterte in ihrer unaufgeregten Art klar: „Ich war nicht geschockt, aber vom Erfolg in diesem Ausmaß überrascht. Und wir alle haben uns gefreut.“ Der sonst routiniert auftretende Hubert Patterer wirkte fast hilflos auf diese Antwort und hatte seinen „Schock“ über Kahrs Wahlsieg offensichtlich noch nicht verarbeitet. So schräg und fast unbeholfen er seine Fragen an die KPÖ-Bürgermeisterin auch formulierte – diese parierte routiniert, ohne überheblich zu wirken. Patterer zum Beispiel: Sein Bild sei ambivalent, weil Kahr ihre Ideologie sehr geschickt verstecke. Elke Kahr: „Wir fühlen uns nicht als was Besseres. Seit 1998 gibt es in unseren Ressorts keine Winkelzüge. Wir haben auch nichts am Hut mit Stalin, Nordkorea oder Belarus.“

Und Hubert Patterer an anderer Stelle: „Ist Politik in Ihrer jetzigen Rolle nicht mehr als Caritas? Dafür gibt’s ja die Caritas und andere wertvolle Organisationen. Und Sie stellen ja diese Wohltätigkeit auch immer wieder zur Schau – mit den jährlichen Tagen der offenen Konten. Jetzt könnte ich böse sein und verweisen auf einen gewissen Jörg Haider. Der hat Ähnliches gemacht – dort sind die Leute sogar hin gegangen – und hat persönlich Bedarfszuweisungen erteilt. Damals hat man zu ihm gesagt, er wolle sich damit Stimmen kaufen. Könnte man den Vorwurf nicht auch auf Sie übertragen? Und wie würden Sie antworten?“

Elke Kahr darauf: „Der Netto-Bezug der Bürgermeisterin oder der Vorgänger sind ein bisschen über 8.000 Euro. Und selbstverständlich behalte ich mir das nicht alles, wie auch seit 2005 nicht. Insofern haben wir auch schon 900.000 Euro an Menschen in Not weitergegeben. Und das sind im überwiegenden Teil NGOs und andere Einrichtungen, bis hin zu Krankenhäusern, die oft in unserem Büro anrufen und ersuchen, ob wir Menschen in Notlagen helfen können. Weil berufstätige Leute eben nicht von der Caritas oder vom Sozialamt Hilfestellungen bekommen. Auch für die ist es oft gedacht, für die Menschen, die in Notsituationen geraten.“

Die jetzige KPÖ/Grüne/SPÖ-Koalition mache eine andere Politik in Graz als ihre Vorgänger. Eine gute Politik führe auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Und diese nütze dann allen in der Gesellschaft – auch der Wirtschaft. Kahr einschränkend: „Aber auch wir haben die Weisheit nicht gepachtet.“ Man werde aber mit öffentlichem Vermögen umsichtiger vorgehen. In der Vergangenheit sei zu viel verscherbelt worden. Leistbares Wohnen und die Voraussetzungen dafür zu verbessern, sei ein zentrales Thema der jetzigen Stadtregierung. Es müsse ein neues Mietrechtsgesetz geben – mit einer Deckelung der Mieten. Die freie Marktwirtschaft funktioniere am Wohnungsmarkt nicht. Graz allein könne das Problem aber nicht lösen.

Der größte Teil des öffentlichen Vermögens werde über die Holding Graz verwaltet. Dort fallen die wichtigsten Entscheidungen – z.B. über Gebührenerhöhung, Grundbevorratung, Verkehr, usw. In der Vergangenheit wurden von Siegfried Nagl nur ÖVP- und FPÖ-Aufsichtsräte nominiert. In Zukunft werden dort alle Parteien des Gemeinderats im Aufsichtsrat vertreten sein. „Es kommen ja von allen Parteien gute Vorschläge.“

Kleine“-Chef Patterer setzte im Finale der ORF-Pressestunde einen wiederum ungeschickten Versuch, Kahr in Bedrängnis zu bringen. Im Wahlkampf hätte die KPÖ versprochen, in Graz, ähnlich wie in Wien, einen Gratis-Kindergarten einzuführen. Das Versprechen der Grünen wiederum war, jedem Kind in Graz das Erwerben eines Jugendfahrrads zu ermöglichen. Bis dato hätte die Koalition das nicht geschafft. Kahr ruhig: „Wir sind ja auch erst drei Monate im Amt. Wir wären Weltmeister, hätten wir das in dieser Zeit schon umgesetzt. Aber es kommt“, beruhigt sie den „irritierten“ „Kleine-Zeitung“-Chef Hubert Patterer.

PS: Es ist zu akzeptieren, dass es zigtausende Grazer Bürger gibt, die zwar Kahr als Person respektieren, aber mit der Politik der KPÖ und Grünen nichts anzufangen wissen – diese grundsätzlich ablehnen. So ist das eben in einer funktionierenden Demokratie.

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