Die Kommunisten in Graz mit Elke Kahr haben so gesehen „Glück gehabt“. Würden in Graz oder auch in der übrigen Steiermark jetzt Wahlen anstehen – die KPÖ müsste mit herben Stimmenverlusten rechnen. Allein die Gedankenkette Kommunismus/Putin/russisch löst bei den Menschen und mit dem gestrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht nur Schockgefühle, sondern auch Abscheu aus. Und gegen diese Stimmung hätte auch eine Elke Kahr selbst mit ihrer Verurteilung von Putin als Aggressor bei den Grazern nicht punkten können.
„Wer uns fürchten, achtet uns auch.“ Wladimir Putin folgt mit dieser Taktik einer in Russland weit verbreiteten Faustformel. Rund 80 Prozent der Russen glauben nach Umfragen, dass Russland in der Welt „gefürchtet und damit auch geachtet“ werden. Bewunderung oder Vertrauen finden die Russen nicht erstrebenswert. „Furcht“ ist immer das wirksamste Machtmittel in Russland.
Er wiederholte es in den letzten Wochen immer wieder, es gehe ihm um die Sicherheit für sein Land. Daher forderte der russische Präsident den Abzug der US-Atomwaffen aus Europa und keine weiteren Militär-Demonstrationen. Und mit seinen Äußerungen nährt Putin bewusst ein Missverständnis über Russland, das es bei uns gibt. Wenn der Westen sich bloß anders verhielte, dann würde er ganz anders handeln. Das ist allerdings nicht seine Strategie. Wladimir Putin will Russland wieder viel mehr zur einstigen Stärke und Abschreckungsmacht machen, wie sie die Sowjetunion als Weltmacht einmal war. Er möchte ein Europa, in dem die USA keine Rolle mehr spielt.
All das hat Wladimir Putin als ehemaliger Geheimdienstmann über Jahre hindurch konsequent verfolgt. Ein offenes Russland, wie es seinerzeit Gorbatschows Vision war, mit freien Wahlen und Verträgen zu einem friedlichen Miteinander. Das war nicht seine Vision. Gorbatschow gilt ja bei der heutigen Regierungselite als Versager, der die Sowjetunion verspielt und das Volk und den Staat verraten habe. In den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts sieht Putin die größte Schwäche-Periode von Russland und seinen ehemaligen Partnerländern. Die Oligarchen, die das Land und das Staatseigentum in dieser unsicheren Phase mit allen möglichen Manipulationen und Tricks sich aneigneten, raubten, verachtet Putin. Weil sie ihm nützen und wenn sie loyal zu ihm stehen, auch überleben, lässt er sie mit ihrem unermesslichen Wohlstand überleben.
Was er aber völlig an die Leine genommen hat – das sind die unabhängigen Medien und die Opposition. Nur die dürfen noch berichten, die ihm genehm sind. In einer ersten Phase wurden die landesweiten TV- und Radio-Sender unter Kuratel gestellt, dann folgen die großen Zeitungen, später auch die Internet-Plattformen und die unabhängigen Journalisten. Wer kritisch über politische Themen berichtet, der riskiert, als ausländischer Agent stigmatisiert zu werden. Wer politisch aktiv ist, dem droht die Verurteilung als Terrorist oder Extremist. Ein weltweit bekanntes Beispiel dafür ist Alexej Nawalny, der verurteilt wurde und nun Jahre in einer Strafkolonie verbringen muss. Die russische Justiz ist völlig abhängig von den Mächtigen im Kreml.
Da er im Inneren seine Hausaufgaben erledigt hat, greift Putin nun wieder die alte Idee von der Sowjetunion auf. Die Zugeständnisse seiner Vorgänger gab es in einem Moment historischer Schwäche und die gehören beseitigt. Als Kriegsherr hat Putin russische Truppen in Tschetschenien (1999), in Georgien, in der Ukraine (ab 2014) und in Syrien (ab 2015) eingesetzt.
Dass die EU von ihm kaum noch ernst genommen wird, zeigen die erfolglosen Versuche praktisch aller europäischen Spitzenpolitiker, ihn von seinem Vorhaben in der Ukraine abzubringen. Leider: Wir in Europa sind zu sehr abhängig von russischem Erdgas. Und die steigenden Energiepreise füllen Russlands Staatskasse. Schon jetzt betragen die Devisenreserven 630 Milliarden Dollar. Das russische Militär ist einer zehnjährigen Reform zu einer schlagkräftigen, hochmobilen und technologisch fortschrittlichen Streitmacht gewachsen. Und es ist kriegserprobt. Europa hat dem nichts entgegenzusetzen.
Und seine weitere Überlegung: Auch Russland gehöre zu Europa und man lasse sich nicht mit Unterstützung der USA an den Rand drängen. Viel mehr sei Russland das Vorbild des künftigen Europas. Schon längst stehe die USA als Weltmacht nicht mehr auf der obersten Stufe des Podests. Diese müsste den ersten Platz mit Einsicht und ohne Hysterie freimachen.
Allmacht-Fantasien, wie es sie in der Sowjetunion gab, zu Zeiten des Kalten Krieges, gibt es auch jetzt wieder in Russland: Wer sagt, dass ein nuklearer Krieg nicht zu gewinnen sei? Nicht zufällig äußerte sich Wladimir Putin gestern, indem er kryptisch mit einer noch nie dagewesenen Reaktion drohte, sollte sich der Westen im Ukraine-Konflikt einmischen. Oppositionspolitiker haben ihn gefragt, ob er wisse, dass seine Außenpolitik zum Krieg führen könne. Putins überhebliche Antwort soll gelautet haben: „Ja, und wir werden ihn gewinnen.“
Zwei Gedanken: Ähnliches erlebten die Europäer bereits unter Adolf Hitler. Und hoffentlich bewirkt Putins Angriffskrieg, dass Europa endgültig erwacht, sich seiner Stärken besinnt und seine Abhängigkeit, was Energie und Rohstoffe angeht, nun wirklich mit neuer Technologie und Forschung überwindet – und damit nicht nur einem künftigen Groß-Russland, sondern mit den USA an seiner Seite auch China die Grenzen aufzeigt.
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