Kurz, schmerzvoll und klar - „Haben in weiten Teilen keine Glaubwürdigkeit mehr“

Max Lercher mit 87 Prozent neuer steirischer SPÖ-Vorsitzender

Heute präsentierte sich in der SPÖ-Parteizentrale in Graz der mit 87 Prozent vom Landesparteivorstand gewählte Vorsitzende erstmals in der Rolle seines Lebens. Flankiert von einem stummen Trio – Doris Kampus, Hannes Schwarz und Jörg Leichtfried – das noch vor nicht einmal 14 Tagen den abgewählten Anton Lang wortreich als Hoffnungsträger, möglichen künftigen Landeshauptmann und damit geeigneten Spitzenkandidaten hochgelobt hat. Die Realität am 24. November, dem Wahlabend, holte die Genossen aus ihrer Polit-Blase in die Wirklichkeit zurück.

Erstmals seit 80 Jahren ist die steirische SPÖ nicht mehr in der Landesregierung vertreten, sondern ist nur noch Opposition im Landtag. Weil Anton Lang als Spitzenkandidat versagt hat. Er, der zwar freundlich und sympathisch auftrat, aber in seinem Profil als Erster blass blieb, keine Ecken und Kanten zeigte, dem der entscheidende Zug zum Tor fehlte und der damit auch keine Chance auf den Landeshauptmann hatte (FPÖ 34,76 %, ÖVP 26,81 %, SPÖ 21,36 %).

So schnell geht es in der Politik. Zur Präsentation heute war Anton Lang angekündigt, aber fehlte dann an der Seite von Max Lercher, seinem Nachfolger. Es ist für die steirische SPÖ eine schmerzvolle Wirklichkeit und auch Zukunft. In der Opposition ist sie weg von den Fenstern der Macht, den gut gefüllten Futtertrögen im Lande. Und diese neue Wirklichkeit sprach Max Lercher kompromisslos, kurz, schmerzvoll und klar an. Fragen der Medienleute waren nach seinem historischen Statement – nämlich als erster Oppositionsführer der SPÖ im Landtag – nicht zugelassen.

Aus Max Lerchers Statement:

Ich werde ja gerne von den Medien als sogenannter Parteirebell bezeichnet. Ich habe selbst versucht, für mich zu reflektieren, warum das immer so passiert. Da gibt’s ja verschiedene Theorien. Ich glaube es ist, weil ich die Dinge gerne beim Namen nenne. Und so möchte ich es auch jetzt in dieser neuen Funktion halten. Ich bedanke mich zuerst beim Vorstand, dass ich heute hier zum designierten Vorsitzenden mit 87 Prozent gewählt wurde. Ich sage es ganz offen, das ist für mich auch überraschend gekommen in dieser Höhe. Weil ich doch weiß – und so ehrlich möchte ich sein –, dass ich innerhalb meiner Bewegung auch da oder dort nicht überall nur Freunde habe. Es ist meine Aufgabe, diese Freundschaft zu stärken. Und dem werde ich mich annehmen. Mir ist es bewusst. Ich bedanke mich für dieses Vertrauen.

Ich möchte sagen, wir haben verstanden, dass wir in weiten Teilen die Glaubwürdigkeit nicht mehr haben. Und es tut mir vor allem dann weh, wenn ich auf die Ergebnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer blicke. Es tut mir vor allem auch weh, wenn ich die Ergebnisse anschaue. Es muss einen Grund haben, warum die freiheitliche Partei gewählt wird. Und diesen Grund darf man nicht beschönigen. Dem muss man sich stellen. Das ist mein Zugang zur Politik. Glaubwürdigkeit aufbauen. Nichts beschönigen. Die Dinge so sehen, wie sie sind. Und ohne ideologische Scheuklappen Lösungen präsentieren.

Die Lebensrealität der Steirerinnen und Steirer ist für mich das politische Programm. Die Sorgen und Nöte jener, die uns nicht mehr vertrauen – die sind unser politisches Programm. Und dem müssen wir uns stellen. Und deswegen gehen wir ab heute – es schaut ja alles danach aus – in der Steiermark erstmalig in Opposition. Und ich werde das nicht so anlegen, wie viele von Ihnen vielleicht glauben, dass wir plump gegen alles sind. Nein. Wir werden dort, wo wir finden, dass es für die Steirerinnen und Steirer gut ist, konstruktiv einsteigen. Aber wir werden dort sehr hart sein, wo ich glaube, dass dem nicht entsprochen wurde, was jetzt schon nach der Wahl so oft von den Verhandlern angekündigt wurde.

Das, was versprochen wurde, ist ein neuer Stil in der Steiermark. Weg vom alten System, hin zu den Posten. Weg vom alten System, wie wir es da und dort auch mit der ÖVP gelebt haben. Wir wissen, was es bedeutet – auch bei vielen Themen, die unser Herzensanliegen sind – da oder dort im Würgegriff der ÖVP zu stehen. Das wird die freiheitlich Partei jetzt erleben.

Mario Kunasek hat eine bewusst Entscheidung gemacht – trotz ausgestreckter Hand der Sozialdemokratie – hin zu der ÖVP. Im Sinne der Steiermark wünsche ich mir, dass diese Verhandlung ein Gutes bringt. Im Wissen, wie Politik funktioniert, vor allem auch von Seiten der ÖVP, wage ich das zu bezweifeln. Und deswegen sage ich zum Schluss auch noch eine Ansage: Sollte nicht das kommen, was sich die designierten Regierungsparteien wünschen – also dieser Reformwille –, ist die Sozialdemokratie bereit, Gespräche zu führen, um die Lebensrealität der Steirerinnen und Steirer zu verbessern. Und wir werden, um diese Glaubwürdigkeit dort zu bekommen, wo wir sie verloren haben, alles geben in den kommenden Tagen und Wochen, um uns das wieder zu erarbeiten.

Ich weiß, die Bewegung, eine politische Partei, hat keine Vorschusslorbeeren mehr. Ich möchte auch keine Parteitaktik betreiben. Ich möchte arbeiten für die Menschen in diesem Land. Das heißt, das Programm ist klar: kritisch, konstruktiv in der Opposition. Immer dort, wo es darum geht, das Leben der Menschen zu verbessern. Und selbst zu allererst zu hinterfragen, vor der eigenen Haustüre kehren, bevor man auf andere zeigt. Dazu sind wir bereit. Um wieder eines zu schaffen: Glaubwürdigkeit bei den Menschen in diesem Land. Denn sie sind es, für die wir gegründet wurden. Und für die haben wir zu arbeiten.

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