Warum schönreden, Herr Landeshauptmann?

Foto: Land Steiermark / Streibl

Ja, es ist richtig, auf jemanden wie Sebastian Kurz, der strauchelt, nicht drauf zu schlagen oder nachzutreten. Er durchlebt zur Zeit die bittersten Tage seiner bisherigen politischen Karriere. Noch dazu, wo er es doch war, der Ihnen durch seine Wahlerfolge erst Ihren Aufstieg zum Landeshauptmann ermöglichte. So gesehen sind Sie ihm dies auch schuldig, das ist zu verstehen. Das ist, wenn Sie so wollen, Ihre persönliche Seite der Medaille oder, anders ausgedrückt, Ihre Sicht von innen.

Es gibt aber auch noch ein Bild von außen, das Sie nicht an sich heranlassen wollen, weil Sie dieses in ein Dilemma stürzt und jeder Mensch sich schwertut, diese Dissonanz zu ertragen.

Sebastian Kurz zeigt in seinen Chats mit seinen engsten Mitarbeitern, ein Maß an Verachtung, Hochmut, Arroganz für seinen Vorgänger Reinhold Mitterlehner, die unerträglich ist.

Ich zitiere aus den viele Mitbürger empörenden Chats.

Als Reinhold Mitterlehner nach seinem Abschied sein Buch „Haltung“ präsentiert, schreibt Schmid an Kurz: „Diese alten Deppn sind so unerträglich“ (…) „Mitterlehner ist ein Links-Diletant und ein Riesen-Orsch!! Ich hasse ihn. Bussi. Thomas.“ Kurz: „Danke, Thomas. Super war, dass Spindi heute ausgerückt ist. Das stört den Arsch sicher am meisten …“, so Kurz, der ja damals Außenminister war.

Arg, fies, erbärmlich ist folgender Chat, der zeigt, welche Geisteshaltung Kurz hat, was ihn antreibt und als Politiker disqualifiziert. Reinhold Mitterlehner, Wirtschaftsminister Mahrer und SPÖ-Bundeskanzler Kern hatten sich darüber geeinigt, 1,2 Milliarden Euro für die Nachmittagsbetreuung für Kleinkinder und die Ganztagsschule bereitzustellen. Im Regierungsabkommen war dies vereinbart. Auch Kurz hatte dem zugestimmt. Nun sabotierte er es, als ihn Schmid darüber informierte. Kurz, damals Außenminister: „Gar nicht gut!!! Wie kannst du das aufhalten?“ Und Kurz weiter: „Bitte. Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“ Schmid: „Das sollten wir. Wir schicken deinen Leuten heute auch noch die Infos.“ Das Projekt kam dann nicht zustande. Hat Kurz versucht, auch Sie da hinein zu ziehen, Herr Landeshauptmann?

Auch die geplante Abschaffung der kalten Progression in der Regierung Kern, Mitterlehner haben Kurz und Sobotka und deren engster Mitarbeiterkreis torpediert. Alles nach der Devise: Jeden möglichen Erfolg für das Duo Mitterlehner/Kern zu sabotieren. Wo bleibt da der Anstand? Um nicht christlich-soziale Werte zu bemühen, von denen Sie so oft sprechen. Das Strafrecht allein kann doch nicht als die Kompassnadel für das Handeln von Sebastian Kurz heran genommen werden. Und genau dieses Handeln, diese Menschenverachtung, die er hier zeigt, disqualifiziert ihn.

Sie nehmen für sich in Anspruch, eine tiefverwurzelte christliche Lebenshaltung zu haben, sind Sie doch auf einem Pfarrhof aufgewachsen. Als Richtschnur für Ihr politisches Leben verweisen Sie immer wieder auf die christlich-soziale Lehre, die Sie wie eine Monstranz vor sich her tragen. Ihr Kanzler, über den Sie nichts kommen lassen, in einer Reaktion, nachdem sein engster Freund Thomas Schmid dem Generalsekretär der Bischofskonferenz drohte, der Katholischen Kirche so genannte Steuerprivilegien wegzunehmen, wenn diese ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage nicht ändere: „Ja, super. Bitte Vollgas geben.“ Und ein solcher Katholik hat Ihr volles Vertrauen, Herr Landeshauptmann, wie Sie mehrmals betonten?

Werter Herr Landeshauptmann, ein Bild, das an Erbärmlichkeit nicht zu überbieten ist. Die Öffentlichkeit wird jetzt nach dem erzwungenen Rücktritt höchstwahrscheinlich noch weitere Chats von Kurz mit politischen Unappetitlichkeiten serviert bekommen. Sie haben in der Vergangenheit Sebastian Kurz nicht ein einziges Mal in der Öffentlichkeit dafür kritisiert. Wurde dadurch doch eindeutig eine rote Linie überschritten. Werter Herr Landeshauptmann, Sie, der Sie mehr Respekt im Umgang mit anderen öffentlich einfordern.

Den Begriff der „Unschuldsvermutung“ haben auch Sie in den letzten Wochen immer wieder in den Mund genommen und diese habe für jeden österreichischen Bürger zu gelten, bevor nicht das Gegenteil bewiesen sei und ein Gerichtsurteil vorliege. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Zugegeben, Ministerin Christine Aschbacher war nicht sonderlich kompetent in ihrem Ressort unterwegs. Sie musste bekanntlich zurücktreten, weil es Plagiatsvorwürfe gab, sie hätte bei ihren Magister- und Doktorarbeiten grundsätzliche Regeln nicht beachtet, hätte, salopp gesagt, von anderen Autoren abgeschrieben. Nun wurde sie von diesen Vorwürfen freigesprochen – wie immer man dazu stehen will. Sie darf also ihre Titel behalten. Haben Sie sich damals im Jänner je auf die Unschuldsvermutung bezogen oder sich für sie stark gemacht?

Ausgeblendet wird von Ihnen auch die Tatsache, dass es den schweren Vorwurf von Betrugshandlungen mit Steuergeldern im Finanzministerium gibt. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen muss Sebastian Kurz als Parteiobmann von diesen im Raum stehenden Untreuehandlungen oder auch Betrugshandlungen an der Republik gewusst haben. Nie hat er in dieser Phase seine Prätorianer-Garde Schmid und Co. aufgefordert, derartige Projekte zu unterlassen. Etwa: „Mit mir geht das gar nicht. Das lehne ich ab.“ Bis heute hat man keinen Chat-Verkehr gefunden, der sinngemäß Ähnliches wieder gibt.

Ganz unabhängig davon also, was die so oft unabhängigen Gerichte befinden werden: Da braucht es kein Gerichtsurteil. Da muss nur der Anstand, die Moral als Maßstab genommen werden und die Fähigkeit, eins und eins zusammen zu zählen. Dass Sebastian Kurz das kann, davon kann man ausgehen. Dass er das nicht wollte, steht im Raum und muss irgendwann auch eingestanden werden.

Sein Ausspruch „mein Land ist mir wichtiger als meine Person“ erinnert fatal an den Ausspruch von Ex-Kanzler Viktor Klima bei seinem Abgang: „Passt mir auf mein Österreich auf.“

Es wäre angebrachter gewesen, dass sich Sebastian Kurz bei „seinen Österreichern“ dafür entschuldigt hätte, welches verheerende Sittenbild diese Enthüllungen über seinen Regierungsstil zeichnen.

Wo bleibt sein Verantwortungsbewusstsein? Wo bleibt die Bereitschaft, die Verantwortung für diese Fehlhandlungen zu übernehmen? Es ist schon klar – in der Politik geht es um Macht und Machterhalt. Aber die Wähler erwarten sich eines dennoch – und das ist Anstand. Um sich Scheuklappen anzulegen, ist man nicht auf Algorithmen angewiesen. Da reichen Chats allemal.

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