Bleibt umstritten

Historiker Stefan Karner und sein neues Buch „Gauleiter Uiberreither – Zwei Leben“

Es hat ihm zur Ehre gereicht, dass ihn Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel seinerzeit sogar zum Vizepräsidenten der ÖVP-Akademie machte. Und ihm damit viele Türen öffnete. In alter Verbundenheit nahm die steirische ÖVP-Prominenz daher bei der kürzlichen Präsentation des neues Karner-Buches im Parkhotel in den vorderen Reihen Platz. Und fügte damit Karners Umstrittenheit als Historiker ein weiteres Puzzle hinzu.

40 Jahre sind eine lange Zeit. So lange ließ sich Stefan Karner Zeit für die Veröffentlichung seines Wissens und seiner „Recherchen“ über Ex-Landeshauptmann Sigfried Uiberreither. Er war von 1939 Landeshauptmann, aber auch als Ober-Nazi der feigste und größte Massenmörder in der Steiermark und im von den Nazis besetzten heutigen Slowenien (Untersteiermark).

Karner präsentiert in seinem Buch umfangreiche Passagen aus Tagebüchern, Briefen, Interviews und vertraulichen Gesprächen. Sehr detailliert, allerdings meist Persönliches und daher ohne wesentlich neue historische Erkenntnisse. Aufgrund dieser umfangreichen Schilderungen (Buchumfang 512 Seiten) bleiben die Verbrechen und Gräueltaten Sigfried Uiberreithers nicht die Hauptelemente des Buchprojekts. Es geht – leider gewinnt man als Leser diesen Eindruck – eben nicht hauptsächlich um die Dimension von Uiberreithers Verbrechen, seinen Hass auf Juden und die politischen Gegner, sondern um sein privates Leben und seine Befindlichkeit nach dem Krieg als Friedrich Schönharting.

Wie passt das zusammen?

Auf Seite 45 beschreibt Stefan Karner Sigfried Uiberreither, als dieser in seiner Funktion als NS-Polizeidirektor von Graz den späteren Landeshauptmann Josef Krainer (1945 bis 1971) persönlich mit Eskorte bereits am 12. März 1938 verhaftete. Uiberreither war vor der Machtübernahme der Nazis Jurist in der Arbeiter-Krankenkasse und Josef Krainer als Regierungskommissär und Landes-Bauernbundführer – damit indirekter Vorgesetzter von Uiberreither. Fälschlicherweise bezeichnet Stefan Karner ihn als „Landesrat“, was Krainer damals nicht war.

In den Kurzbiografien im Anhang des Buches schreibt derselbe Stefan Karner, dass Sigfried Uiberreither als Polizeipräsident dafür intervenierte, dass Josef Krainer mehrere Wochen nach seiner Verhaftung (durch Uiberreither selbst) wieder entlassen wurde …

Josef Krainer hatte sich, so heißt es, im Laufe des Krieges der Partisanen-Gruppe O5 (Österreich 5) angeschlossen, die in der Südsteiermark im Raum an der heutigen Grenze zu Slowenien agierte. Gauleiter Uiberreither wiederum ging mit Brutalität und Folterungen und Morden gegen die Partisanen – speziell auch in diesem Gebiet – vor. Stefan Karner geht auf diese Thematik allerdings nicht mehr ein.

Er will von Uiberreithers „zweitem Leben“ erst 1986 erstmals erfahren haben – durch einen Telefonanruf des Wiener Kollegen Manfried Rauchensteiner. Wiewohl andere Historiker und auch Dokumente von Zeitzeugen schon in den 70er-Jahren klare Hinweise dafür liefern, dass der Massenmörder Sigfried Uiberreither nicht nach Südamerika geflüchtet war, sondern in Deutschland als Biedermann untergetaucht war und überlebt hatte.

Initiator für die Nachforschungen zum zweiten Leben von Sigfried Uiberreither war übrigens der Grazer Historiker Heimo Halbrainer. Mit ihm hatte die Stadt Sindelfingen 2017/18 Kontakt aufgenommen. Halbrainer regte bei der Historischen Landeskommission in Graz ein entsprechendes Forschungsprojekt an. Der damalige Vorsitzende Alfred Ableitinger entschied, Stefan Karner und Martin Moll beizuziehen. Heimo Halbrainer zog sich, so formuliert er, „aus zeitlichen Gründen“ zurück. Im Buch erwähnt Autor Stefan Karner das nicht – bleibt also bewusst unvollständig.


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