Kleider machen Leute

Im Frühling blüht nicht nur die Natur, sondern auch die österreichische und steirische Modeszene blüht auf. Vor kurzem konnte man im Rahmen der „Open Fashion Studios“ hinter die Kulissen blicken und die Modeschaffenden in ihren Ateliers und Stores besuchen. Kennenlernen, Staunen und Shoppen war angesagt.
Regionalität ist ja gerade in den letzten zwei Jahren während der Pandemie wieder sehr stark in den Fokus gerückt. Auch bei der Mode, wie Maßschneiderin Nina Kollmann-Troy im KLIPP-Gespräch erläutert. Sie ist eine von fast 600 (!) Modeschaffenden in der der Steiermark. „Mit den Open Fashion Studios wollten wir wieder darauf aufmerksam machen, dass es nicht immer Paris oder Mailand sein muss – und zeigen, was die steirischen Kleidermacher können, man sich auch regionale maßgefertigte Kleidung individuell herstellen lassen kann. Das alte und verstaubte Image des Schneiders – à la Schneider Böck aus Max und Moritz – soll ausgemerzt werden. Man muss die Leute quasi wachrütteln, dass sie nicht zu Billigware von sonst woher greifen.“
Am Telefon höre ich die Nähmaschine im Hintergrund rattern. Offensichtlich hat sie viel zu tun in ihrem Atelier am Lindenweg in Graz. „Ja, im Moment habe ich mehr zu tun, zumal ja der Mode-Sommer mit all seinen Veranstaltungen Hochzeiten vor der Tür steht“, so Kollmann-Troy. Wie es dann im Herbst weiter gehe, sei aber aufgrund von Corona wieder einmal ein großes Fragezeichen. „Du hast einfach null Planungssicherheit, weißt nicht, ob und in welcher Form Bälle oder Veranstaltungen stattfinden werden“, kommt sie auch auf die herausfordernden Zeiten während der vergangenen zwei Jahre zu sprechen.
Bekanntlich hat es ja gar keine oder nur sehr wenige Veranstaltungen, Hochzeiten und Bälle gegeben. Demnach ist die sogenannte Anlassmode weggefallen, mussten sich die Modeschaffenden was einfallen lassen. „Während des ersten Lockdowns waren es vor allem die Masken, die wir genäht haben. Das ist gut gelaufen. In der Folge habe ich dann auch hochwertige Geschenkartikel hergestellt – wie etwa Geschirrhangerl mit Bordüren, Osterschürzen, Kissen oder Nikolaussackerl. Das ist weg gegangen wie die sprichwörtlich warmen Semmeln.“ Wiewohl das selbstverständlich nicht unser „Hauptgeschäft“ ist, stellt die Maßschneiderin klar.

Wer sind nun aber die Kunden, die zu Ihnen kommen und sich was schneidern lassen?
Kollmann: Sie kommen aus allen Bevölkerungsschichten und Altersklassen, quer durch die Bank – von der Maturantin, die ein Ballkleid haben möchte, bis zur Ärztin, die sich ein ausgefallenes Hochzeitskleid wünscht. Es sind einfach Menschen, die Wert auf Qualität und Einzigartigkeit legen.
Der Hauptteil Ihrer Arbeit besteht also darin, so genannte Anlassmode herzustellen?
Kollmann: Das ist schon richtig. Aber es kommt logischerweise auch vor, dass eine Kundin zum Beispiel ein Sommerkleid möchte, das sie so, wie sie es sich wünscht, nirgends kaufen kann und das „alltagstauglich“ sein soll. Es ist ganz unterschiedlich. So nähe ich zum Beispiel auch Vorhänge für die neue Wohnung, stopfe das Loch einer Jean, kürze die Ärmel eines Blazers, und, und.
Klingt sehr abwechslungsreich.
Kollmann: Ja, das ist es auch. Schon allein deshalb habe ich mich nicht spezialisiert, sodass ich alles machen kann. Ich mache ja auch alles selbst, einzig und allein die Buchhaltung habe ich in den außer Haus gegeben.
Und privat? Was ziehen Sie da an?
Kollmann: Das, was ich jetzt anhabe, ist natürlich Arbeitskleidung. Doch wenn ich außer Haus gehe, trage ich immer zumindest ein Teil, das ich selbst genäht habe. Und wenn ich zu einem besonderen Anlass weggehe, dann rätseln Freunde oder Bekannte schon immer, was ich wohl anhaben werde. Ich denke mir da aber nichts dabei und schneidere mir dann halt irgendetwas Schönes. Darauf achte ich schon sehr, denn ich selbst bin meine beste Werbung.
Apropos Werbung: Wie kommen die Kunden zu Ihnen?
Kollmann: Das meiste geht über Mundpropaganda. Ich habe logischerweise größtenteils Stammkunden. Wenn jemand einmal bei einem Schneider gewesen ist, dann kommt er wieder. Etwa die Nachbarin, die zum Hosenkürzen vorbeischaut, möchte sich ein anderes Mal ein ausgefallenes Kleid schneidern lassen.

Kommen die Kunden mit fixen Vorstellungen zu Ihnen?
Kollmann: Das ist meist unterschiedlich. Einige haben schon eine fixe Idee, die wir dann gemeinsam besprechen, inwieweit sie überhaupt realisierbar ist bzw. was man verbessern könnte. Da gehe ich ganz individuell auf die Kunden ein. Bei einer Hochzeit etwa muss auch darauf geachtet werden, wo diese stattfindet, unter welchem Motto und, und. Damit dann auch alles genau aufeinander abgestimmt ist.
Also ist jedes Stück einzigartig?
Kollmann: Auf jeden Fall. Alles ist einzigartig und ich würde auch nie ein komplett gleiches Stück zwei Mal machen. Die bei einer Modeschau präsentierten Modelle sind daher logischerweise auch einzigartig und auf die einzelnen Models maßgeschneidert.
Das macht einen Maßschneider aus?
Kollmann: Ja, dass jedes Teil einzigartig ist. Wichtig ist auch die hohe Qualität und dass es immer auf die jeweilige Person maßgeschneidert ist. Das ist der Unterschied zur Massenware. Wir Maßschneider designen nicht nur, wir produzieren auch. Was wir machen, ist ein Handwerk. Darauf kommt es uns an. Auch die Freude an der Rückmeldung haben Verkäufer im Geschäft nicht. Die Braut, die sich ein Hochzeitskleid von mir schneidern lassen hat, ruft nach der Hochzeit an und erzählt, wie toll das Kleid angekommen ist. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass es sich bei unseren Stücken um langlebige Stücke handelt. Die Stoffe sind von hoher Qualität und so lassen sich die Kleider oder Sakkos auch minimal ändern, wenn es einmal nicht mehr so richtig passen sollte.
Die großen Designer in Paris oder Mailand. Träumt nicht jeder Schneider auch davon?
Kollmann: Wenn ich ehrlich bin, nicht. Denn ich weiß, welche Arbeit da dahintersteckt, und denke mir dann: Möchte ich das wirklich? Wohl eher nicht. Meine Kreativität kann ich auch hier ausleben.
Insgesamt gehe es Nina Kollmann-Troy auch darum, die jungen Leute zu erreichen. „Ich nähe gerade ein Taufkleid für einen Täufling. Da ist die ganze Familie, bis hin zur Oma meine Kundschaft. Und es freut mich, dass mit dem Täufling quasi schon der nächsten Generation bewusst gemacht wird, was maßgeschneiderte, heimische Mode bedeutet.“

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