Der 1,40-Euro-Kanzler

... seine warme Mahlzeit hat’s in sich

Die nächsten Wochen muss sich Karl Nehammer warm anziehen, wiewohl es draußen noch nicht so kalt sein wird. Sein „warme-Mahlzeit“-Sager im Rahmen einer Parteiveranstaltung ist mittels eines privat gemachten Videos den Medien zugespielt worden. Verkürzt und sinngemäß sagte er: Jede Familie könne sich für ihren Nachwuchs sehr wohl am Tag eine warme Mahlzeit leisten. So koste der Hamburger bei McDonald’s nur 1,40 Euro. Wie wenig Nehammer vom Alltag weiß –  der Hamburger kostet laut McDonald’s-Preisliste bereits 1,99 Euro.

Er, Nehammer bräuchte auch gar nicht „mehr“. Zyniker sagen, er verdiente sich gar nicht mehr. Nüchtern betrachtet oder aus der Sicht eines Diätologen wäre Österreichs Kanzler wahrscheinlich gar nicht unglücklich darüber, als „warme Mahlzeit am Tag“ nur ein „Fast-Food-Meal“ verdauen zu müssen. Weil er ohnehin bei seinen öffentlichen Auftritten stets eingeladen ist und also von „free meals“ lebt. Die noch dazu für überflüssige Kilos sorgen.

Mit diesem Outing seiner innersten Überzeugung und Wertehaltung hat sich Nehammer für die nächsten Jahre selbst stigmatisiert, wird ihm und seiner zielstrebigen Frau – sie regiert von zu Hause aus kräftig mit – dieser Ausrutscher ständig nachhängen. Sollte er in der Politik überleben.

Den deutschen Fast-Kanzler-Kandidaten Egon Laschet brachte ein Foto anlässlich einer Gedenkfeier für die Opfer der Hochwasserkatastrophe um all seine Chancen für einen weiteren politischen Erfolg. Laschet scherzte mit seiner unmittelbaren Umgebung, während am Rednerpult ernste Worte gesprochen wurden.

Man darf auch gespannt sein, wie Nehammers weitere Aussagen im Video politisch verarbeitet werden. Er sinngemäß: Wenn eine alleinerziehende Mutter oder eine armutsgefährdete Familie sich besser ernähren wolle, dann sollte man in der Familie einfach mehr arbeiten. Leistung zahle sich aus. Von Seiten der Diakonie und Caritas gibt’s bereits starke Kritik.

Jeder Mensch lebt mit mehreren Gesichtern, sprich Identitäten, sagen die Psychologen. Selbst wenn die Nehammers als Familie ein, zwei oder mehrere Monate sich auf Fastfood beschränken, wird das zwar die Boulevard-Medien mächtig interessieren, bleibt das Ganze aber ein untauglicher  Versuch. Weil es für sie kein Experiment ins Ungewisse wäre. Die Nehammers wissen, dass sie danach wieder weiter leben wie gehabt. Anders als wirklich Arme oder Armutsgefährdete.

Auch ich habe nichts übrig für Schmarotzer und Tachinierer, aber jede gut funktionierende, demokratische Gesellschaft wird damit zurecht kommen und stellt deswegen nicht ein funktionierendes Gesundheits- und Sozialsystem in Frage.

Alleinerziehenden Müttern aber als Botschaft zuzurufen, „mehr Stunden für ein besseres Leben zu arbeiten“, zeigt von Nehammers persönlichem Befund und Mindset, wie das neudeutsch oft genannt wird. Da ist jeder selbst schuld und verantwortlich für seine Lebenssituation.

Zu Karl Nehammer, der als Obmann einer stark christlich-sozial geprägten Partei vorsteht und sich auf deren Werte beruft, kann man nur sagen – das Kanzler-Sein (für möglichst viele Österreicher) kann er nicht.

JL

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